Toedliche Intrige
manchmal hier ins Hotel.
Ich blieb stehen.
Sie hatte endlich begriffen, dass ich nicht mit ihr redenkonnte, und beugte sich über ihren Computerbildschirm, ohne sich dessen bewusst zu sein, was sie gesagt hatte. Was für eine Bedeutung ihre Worte haben konnten. Sie war verwundert, als sie wieder hochschaute und mich vor dem Tisch stehen sah. Ich lächelte.
»War es dieser ...«, sagte ich und tat so, als bemühte ich mich, mich an jemanden zu erinnern, der mir entfallen war, und hoffte, dass sie den Satz zu Ende führen würde. Der Plan ging nicht auf.
»Wer?«, fragte sie.
»Der mit Bettý zusammen war«, sagte ich. »War es vielleicht dieser Helgi, du kennst ihn doch sicher?« »Nein«, sagte sie.
Vielleicht stellte sie sich so stur, weil ich vorhin so kurz angebunden gewesen war. Sie wollte mir offensichtlich nicht weiterhelfen. Ich durfte aber auch nicht mehr Aufmerksamkeit erregen, als ich bereits getan hatte.
»Schon in Ordnung«, sagte ich. »Vielen Dank.«
Die verkniffene Miene lockerte sich.
»Ich kann mich nie erinnern, wie er heißt«, sagte sie. »Ein unangenehmer Typ. Er ist oft gekommen, nur um sie zu treffen. Wenn Tómas nicht hier war.«
»Kam er, um Bettý zu treffen?«
»Ja, dieser blöde Kerl. Er hat sich hier einmal mit einem Kellner angelegt, wegen rein gar nichts. Hat ihn mit Beschimpfungen überschüttet und stand kurz davor, auf ihn loszugehen. Der tickt nicht ganz frisch.«
Ich musste vorsichtig sein. Ich durfte nicht zu interessiert wirken.
»Ach so«, sagte ich, als käme mir auf einmal die Erinnerung. »Dann war es vielleicht dieser, na, wie heißt er doch noch ...?«
»Ja«, sagte sie, »jetzt fällt's mir wieder ein. Er heißt Leo. Jetzt erinnere ich mich. Leo. Er übernachtet häufig hier, wenn er in Reykjavik ist. Er geht allen hier im Hotel auf den Wecker.«
24
K lick-klack, klick-klack, klick-klack ...
Ich liege in der Finsternis und vergesse, die Schritte zu zählen, während sie sich entfernen. In meinem Kopf gärt so vieles, Gedanken kommen und gehen, ohne dass ich die Kontrolle darüber habe. Sie fallen aus allen Richtungen über mich her, und am zudringlichsten sind diejenigen, die ich am liebsten verdrängen möchte, um jeglicher Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen. Ich versuche, die Gedanken von all dem zu befreien, was mich in letzter Zeit gequält hat, und sie in andere Bahnen zu lenken, aber das ist nicht einfach. Sie brechen immer wieder hervor, sogar wenn ich versuche, bei Papa zu sitzen, wenn die Sonne zum Fenster hineinscheint und auf die Blumen fällt, die ich ihm gebracht habe. Er liegt da, er kann sich vor Schmerzen nicht rühren und sieht mich an.
Ich schaue auf seine Hände, die einmal so stark und schön gewesen waren. Ich erinnere mich daran, wie er sie wusch, lange und gründlich wie ein Chirurg.
Er kann nicht mehr sprechen. Sein Atem geht kurz und stoßweise. Ich glaube, er hat sich nicht damit ausgesöhnt,dass er sterben muss, und das ist das Schlimmste. Ich sehe es ihm an den Augen an. Wie er mich anschaut und mir schweigend zu verstehen gibt, dass der Tod nicht fair ist.
Tozzis Tod war ebenfalls nicht fair. Das weiß ich. Niemand verdient es, so zu sterben, wie Tozzi starb. Bizarr. Völlig aus heiterem Himmel ermordet. Es spielt überhaupt keine Rolle, um was für einen Menschen es sich handelt. Niemand sollte sterben müssen, wie Tozzi starb. Ich habe Zeit gehabt, um darüber nachzudenken. Ich habe Zeit gehabt, um zu bereuen, und ich bereue es zutiefst. Ich bereue zutiefst, was ich getan habe. Ich weiß, dass solche Worte im Nachhinein nicht viel besagen, aber was ich sage, ist ehrlich gemeint. Ich bereue es zutiefst. Trotz dem, was er mir angetan hat. Inzwischen weiß ich, dass es nur ein kleines Vergehen in diesem überaus komplizierten Verbrechen war.
Ich habe die Erinnerungen an die letzten Tage im Leben von Papa zerstört. Immer wenn ich an Papa denke, zwängt sich mir das Bild von Tozzi auf. Papa bekam Zeit, um sich zu verabschieden, um seine Dinge zu ordnen und dann lange, qualvolle Nächte darauf zu warten, dass der Tod kam, um ihn zu holen. Er konnte mit dem Leben abschließen, auch wenn er sich nicht damit abgefunden hatte, dem Tod unterlegen zu sein, er wusste zumindest, wer der Feind war. Tozzi war völlig ahnungslos. Bettý und ich waren der Tod, und wir schickten ihn stöhnend in die Finsternis. Hätte es einen Unterschied gemacht, wenn das Nachspiel anders gewesen wäre?
Hätte ich ebenso tief bereut? Kenne ich mich
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