Toedliche Intrige
Personalchef gesagt hatte, aber die Antwort wusste ich bereits, noch bevor er den Mund auftat.
»Wenn ich richtig verstanden habe, wurde er stark unter Druck gesetzt«, sagte der Mann.
Ich starrte die alten Jagdmesser an und unzählige Gedanken schossen mir durch den Kopf, die alle um den Augenblick kreisten, als Bettý den Vortragssaal betrat und ich sie zum ersten Mal erblickte.
»Wenn ich richtig verstanden habe, hat seine Frau ihm zugeredet, dass du eine wertvolle Mitarbeiterin sein würdest, wegen deiner fundierten Kenntnisse im Zusammenhang mit dem Europäischen Wirtschaftsraum. Und ...«
Er zögerte.
»Und was?«, fragte ich, während ich durch die Scheibe starrte.
»Er hat nachgegeben.«
25
A ls ich anfing, mich damit auseinander zu setzen, wusste ich nur das eine über Bettý, dass ich sie mehr als mein Leben liebte. Wahrscheinlich tut es niemandem gut, so zu lieben, wie ich Bettý liebte. In meinem Fall endete es in einer Katastrophe.
Bettý sprach fast nie über ihre Vergangenheit. Es war, als existierte sie nicht. Aber aus mir holte sie alles heraus, ich erzählte ihr Dinge, über die ich nie zuvor mit jemandem gesprochen hatte, über meine Mutter, meinen Bruder und meinen Vater und seinen Todeskampf. Jedes Mal, wenn ich den Spieß umzudrehen versuchte und sie dazu bringen wollte, mir etwas über sich zu erzählen, wechselte sie das Thema und erklärte, dass es da nichts zu erzählen gebe.
Einige wenige Male geschah es aber doch, dass sie Geschichten aus ihrer Kindheit und Jugend preisgab. Sie schien nur schreckliche Erinnerungen daran zu haben, was angesichts der Umgebung, in der sie aufgewachsen war, auch nicht verwundern konnte - eine Jugend in Breiðholt, mit einer Alkoholikerin als Mutter und einem Stiefvater, der handgreiflich wurde.
Einmal erzählte sie mir von dem ersten Mädchen, mit dem sie zusammen war. Sie erwähnte den Namen Sylvia. Über sie erfuhr ich nur, dass die beiden sich in einer Sozialbausiedlung kennen gelernt hatten, weil sie den gleichen Treppenaufgang hatten, und Bettý erzählte von diversen Sexspielen mit diesem Mädchen, die zumeist in der Waschküche im Keller des Wohnblocks stattfanden. Sylvia war zwei Jahre älter. Sie waren ein halbes Jahr zusammen, dann zog Sylvia woandershin. So lautete Bettýs Version.
Als ich begann, nach dieser Frau zu suchen, hatte ich keine Ahnung, ob Sylvia der richtige Name war. Ich schlug zuerst im Telefonbuch nach, wo es einige Frauen mit diesem Namen gab. Als Nächstes rief ich einen Bekannten beim Interessenverband der Homosexuellen an und brachte ihn dazu, nachzuprüfen, ob es eine Sylvia in der Mitgliederkartei gab. Er fand eine. Sie stand im Telefonbuch, und ich rief sie an. Sie hatte nie etwas von einer Bettý gehört.
Ich rief noch einmal meinen Bekannten an und fragte, ob er von irgendeiner Sylvia wüsste, die nicht Mitglied war. Er erklärte sich bereit, das für mich durchzuchecken und später zurückzurufen. Zwei Tage später hörte ich wieder von ihm. Er hatte sich einige Mühe gemacht, hatte mit diversen Leuten gesprochen und schließlich von einer Frau dieses Namens erfahren, die angeblich im Árbær-Viertel wohnte. Wieder griff ich zum Telefonbuch und fand eine Sylvia in Árbær. Als ich anrief, kam sie an den Apparat. Sie brauchte geraume Zeit,um zu begreifen, um was es ging. Ich glaube, sie hatte etwas getrunken. Aber auf einmal schien sie zu kapieren, über wen ich sprach. Sie konnte sich gut an Bettý erinnern.
Ich gab vor, in der Redaktion für eine Publikation zu sitzen, die anlässlich des Jubiläums der Schule, die Bettý und sie besucht hatten, herausgegeben werden sollte. Man plane ein eindruckvolles Magazin, und wir in der Redaktion seien dabei, alte Geschichten aus den verschiedenen Jahrgängen und möglichst auch Bilder von Ehemaligen zu sammeln. Sylvia hatte nicht das geringste Interesse daran und erklärte, gar nichts dazu beitragen zu können. Erst als es mir gelungen war, das Gespräch auf ihre alte Freundin Bettý zu bringen, schien sie anzubeißen.
Sylvia wohnte in einer kleinen, nicht sehr hellen Wohnung. Das Wohnzimmerfenster ging zum Garten hinter dem Haus, wo eine einsame Schaukel neben einem unbenutzten Sandkasten hing. Sylvia war nervös, sie steckte sich eine Zigarette nach der anderen an und sah zehn Jahre älter aus, als sie meiner Meinung nach sein konnte. Sie hatte mich zu sich nach Hause eingeladen und mich gebeten, ihr aus dem Staatlichen Monopolladen zwei Flaschen Wodka mitzubringen.
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