Tödliche Investitionen
seine Galoschen schon übergestreift, weil er gehen wollte.
»Ist hier frei?«, fragte der Polizist.
Der Mann versuchte, die Lippen zu bewegen, gab aber auf und nickte deshalb so heftig, dass ihm der Hut in die Stirn rutschte.
»Tagesgericht!«, brüllte Gunnarstranda der jungen Serviererin zu, die vor der Küchentür saß und rauchte.
Das Tagesgericht bestand aus Rouladen, Erbsenpüree, drei gekochten Kartoffeln mit Dill und einer einfach wunderbaren Soße. Er trat zur Seite, ließ seinen Tischnachbarn davonwackeln und langte zu. Er genoss jeden Bissen und lächelte die Serviererin an, die ein Mineralwasser brachte, weil sie wusste, dass er das immer trank. Er hätte ihr gern ein Kompliment über die Soße gemacht, brachte es aber nicht fertig. Stattdessen bat er auf höchst überschwängliche Weise um eine Schachtel Teddy.
Von seinem Platz aus hatte er einen guten Überblick über das Touristendeck, wo Davestuen noch immer in den Börsennotierungen blätterte. Gunnarstranda sah, wie sein Kollege die rechte Hand hob, um ein Gähnen zu verstecken, wie er dann rasch den Kopf schüttelte und Atem holte, ehe er sich mit trägem, in sich gekehrtem Blick umschaute. Er wirkte anonym und grau, solange er saß. Sein heller, dünner Haarschopf hing ihm in das knochige Gesicht. Er trug ein zu enges Jackett, dazu einen knallgelben Schlips, der sein Bestes tat, ihn zu erwürgen.
Gunnarstranda konnte endlich den Blick des Mannes erhaschen und ihm ein Zeichen geben. Reier fuhr auf und winkte eifrig zurück. Er erhob sich, ohne den Tisch umzukippen, erntete aber, als er sich zu seiner vollen Höhe erhob, einen verstörten Blick seines zahnlosen Nachbarn.
»Was Neues an der Börse?«, fragte Gunnarstranda mit vollem Mund und hielt seinen Teller fest, der fast hinuntergefallen wäre, als Reiers Knie beim Hinsetzen den Tisch anhoben.
»Nicht das Geringste«, rief der und ließ den Tisch wieder zu Boden sinken, als er seine Beine ausstreckte. »Nicht das Geringste!«
Reiers Präsenz war manchmal ziemlich schwierig zu ertragen. Gunnarstranda senkte den Blick. »Ich habe eine Computerfirma, die den Steuerzahler mit sieben Klagen zugleich zur Ader lässt«, teilte er mit. »Vor allem panische Schadenersatzansprüche, Hilferufe leerer Geldbeutel.«
Davestuen nickte, faltete seine Pranken auf dem Tisch.
»Der Direktor ist ein zweifelhafter Bursche«, fuhr Gunnarstranda fort, während ihm der Duft nach Mottenkugeln aus Reiers Jacke in die Nase stieg. »Er ist in nur wenigen Jahren gleich mehrfach in Konkurs gegangen.« Er zog einen Prospekt hervor. »Für seinen jetzigen Laden will er sich frisches Kapital durch Investoren sichern.«
Davestuen nahm die Broschüre, blätterte und hielt beim Bild von Finanzplaner Bregård inne. »Ist das dein zweifelhafter Bursche?«
»Nein, nein«, sagte Gunnarstranda schnell. » Der wird in den Broschüren überhaupt nicht erwähnt. Und ich frage mich langsam, ob das nicht sehr schlau von ihm ist.«
Er schlürfte den Kaffee, den ihm die Kellnerin unaufgefordert vorsetzte, lächelte sie an, und sie erwiderte sein Lächeln. Nicht nur höflich, sie zwinkerte ihm sogar zu. Das gefiel ihm. Er fischte eine Zigarette aus der Teddypackung und bot Reier eine an.
»Nein danke«, antwortete der und hob abwehrend eine Hand.
Gunnarstranda starrte ihn verblüfft an. »Du? Du hast aufgehört zu rauchen?«
Reier Davestuen nickte ernst.
»Wann denn?«
»Gestern.«
Gunnarstranda machte eine respektvolle Verbeugung und zündete seine Zigarette an.
»Ich kenne den Typ hier«, fuhr Davestuen gelassen fort und zeigte mit einem dicken gelben Finger auf Bregårds Bild. »Øyvind Bregård. Er war mal ein echter Schläger. Hat immer noch dicke Muckis, was?«
Gunnarstranda nickte langsam.
»Der war mindestens einmal wegen Körperverletzung verurteilt.«
Gunnarstranda blies abwartend Rauch aus.
Davestuen runzelte die Stirn und versuchte, sich zu erinnern.
»Er hatte in einem Inkassobetrieb gearbeitet, das war eine ziemlich unseriöse Gesellschaft. Vor ein paar Jahren haben wir sie hochgenommen, aber ich kann mich nicht an den Namen erinnern.«
»Wie ist das Urteil ausgefallen?«
»Er hat jedenfalls gesessen. Ich glaube, weil er einen Pakistani mit einem Laden in der Nobelgegend zum Krüppel geschlagen hat. Ich weiß nicht mehr, wie der hieß oder wo das passiert ist, aber das können wir ja feststellen.«
Gunnarstranda sagte:
»Was er jetzt macht, hat mit Computern zu tun. Aber ich glaube, das ist auch von
Weitere Kostenlose Bücher