Tödliche Investitionen
wacklig an die Wand lehnte. Der Kriminalhauptkommissar beugte sich derweil über den alten Mann. »Du verheimlichst uns etwas, Johansen«, flüsterte er. »Du hältst über so vieles dicht! Aber ich kann dir eins versprechen! Wenn wir in dieser Bude auch nur ein einziges Messer oder irgendetwas finden, das schärfer ist als ein Fischheber, dann kannst du dir die Heimfahrt gleich aus dem Kopf schlagen!«
Frølich wühlte in einer Schublade. Bleistifte, Kugelschreiber und ein Stück Angelschnur. Eine rostige Mutter war das einzige Teil aus Metall. Das wird dauern, dachte er geduldig und hob einen Kronkorken hoch.
Einunddreißig
Gunnarstranda schaute aus dem Fenster dem alten Mann hinterher, der schwerfällig den langen Hang hinunterging. Arvid Johansen. Der Spanner. Eine gebeugte Gestalt in Mantel und Hut mit Krempe. Der Mann drehte sich um und drohte dem Polizeigebäude mit dem Stock. Eine hasserfüllte Geste. Eine Gebärde, die den Kooperationswillen des Mannes zum Ausdruck brachte. Er pflegte schweigenden Widerwillen. Ob das alles ist, was du kannst, fragte sich der Polizist am Fenster. Kann diese drohende Faust Fleisch zerschneiden? Lebendes Menschenfleisch? Davon auszugehen, wäre die billige Variante.
Leicht. Aber vermutlich eine schlechte Lösung. Sei froh, dass wir in deiner Bude keine Waffe gefunden haben!
Hinter ihm wurde die Tür geöffnet. Ein Mann kam herein, gefolgt von einem Beamten, der sich umdrehte, hinausging und wortlos die Tür schloss.
Die Umrisse des Neuankömmlings zeichneten sich im Fenster ab. Herr im Himmel! Das Gesicht dieses Mannes war röter als ein Apfel. Gunnarstranda betrachtete abwechselnd das Gesicht im spiegelnden Fensterglas und Johansen, bis der alte Mann hinter der Grønlandkirche verschwunden war. Nun erst drehte er sich um und bat Herrn Svennebye, sich zu setzen, aber der kam der Aufforderung nicht nach. Er blieb unbeholfen vor dem Schreibtisch stehen. Gunnarstranda begriff, dass es diesem Mann in letzter Zeit nicht gut ergangen war. Er hatte ein betrübliches Aussehen. Der offene Mantel entblößte eine fleckige Hose mit offenem Schlitz, in dem sich ein Hemdenzipfel verkeilt hatte. Sein Schlips hing lose wie ein aufgerolltes Springseil um seinen Hals. Der Polizist schnupperte kurz und beschloss, das Fenster zu öffnen.
»Setzen«, wiederholte er, streckte die Hand aus und nickte zu einem Holzstuhl mitten im Zimmer, einen halben Meter vom Schreibtisch entfernt, hinüber.
Der Mann räusperte sich und machte sich an dem großen weißen Verband zu schaffen, den er um die recht Hand trug. Irgendwie gelang es ihm, den Mantel über die Stuhllehne zu hängen. Er setzte sich vorsichtig, und noch immer bewegte sich seine Zungenspitze hastig über die Lippen.
»Name?«
»Egil Svennebye.«
»Beruf?«
»Arbeitslos.«
»Verzeihung?«
»Arbeitslos!«
Der Polizist ließ sich mit nachdenklich gerunzelter Stirn auf seinem eigenen Stuhl nieder. Er öffnete eine Schreibtischschublade und nahm ein Mikrofon heraus. »Alles, was ab jetzt in diesem Raum gesagt wird, wird auf Band aufgenommen«, erklärte er. Das Mikrophon wollte zunächst nicht stehen bleiben und fiel immer wieder um.
Jetzt. Er fing den Blick des anderen auf. Der Mann schielte. Blassblaue Pupillen schwammen in hellgelbem Eiweiß hin und her.
»Sie heißen Egil Svennebye. Ihr letzter registrierter Arbeitsplatz war die Firma Software Partners, wo Sie als Marketingchef angestellt waren, ist das richtig?«
Der Mann nickte.
Der Kriminalhauptkommissar zeigte auf das Mikrofon.
»Ja.«
Der Mann wischte sich mit dem Verband über die Stirn. Hustete.
»Ich will ganz ehrlich zu Ihnen sein«, versprach Gunnarstranda nach einer Pause von einigen Sekunden. »Alkoholmissbrauch in der Öffentlichkeit ist nicht mein Ressort. Ich beschäftige mich mit Mordfällen.«
Die Pupillen schwammen nicht mehr.
»Wieso halten Software Partners Sie noch immer für ihren Angestellten?«
»Sie wissen noch nichts von meiner Kündigung.«
»Also haben Sie gekündigt?«
»Ja.«
»Warum?«
Svennebye senkte den Blick, seufzte. »Ich habe einige Tage lang nachgedacht und bin zu der Erkenntnis gekommen, dass das das einzig Richtige ist.«
Gunnarstranda lehnte sich zurück, stocherte mit der Schuhspitze in der untersten Schreibtischschublade herum und ließ den Fuß dann auf der offenen Schublade ruhen. Seine Hose rutschte an der Wade hoch und entblößte ein Stück kreideweißer Haut mit vielen hellblauen Adern über dem roten Abdruck des
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