Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödliche Investitionen

Tödliche Investitionen

Titel: Tödliche Investitionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Ola Dahl
Vom Netzwerk:
Jotunheimen gereist und hatten in Fåberg eine Pause eingelegt, wo sie die Stelle, wo die Clematis wuchs, fanden. Die weißen Glocken waren schon längst verblüht, aber die schönen Dolden von Samenbündeln lagen unübersehbar auf dem Boden. Er blätterte weiter im Handbuch, strich mit dem Handrücken über die Seiten und ließ seinen Blick vom getrockneten Exemplar in seinem Herbarium hinunter zu den sorgfältigen Zeichnungen im Buch wandern. Doch trotz der wunderbaren Pinselführung war die Aufgabe ohne frisches Material nicht zu lösen. Gelangweilt nippte er an einer halb leeren Flasche Leichtbier.
    Dieser verdammte Messerstecher! Ein gefühlskalter Mistkerl, den sie nicht finden konnten, weil seine Verbrechen ihm nicht anzusehen waren. Nur im Film laufen die Mörder wie aus dem Irrenhaus entflohen durch die Gegend. Er drehte die Flasche zwischen den Fingern, seufzte und fischte eine trockene und eingeschrumpfte Zigarette aus dem Aschenbecher, steckte sie aber nicht an. Er griff nach der Fernbedienung seines Fernsehers und schaltete ihn ein. In der gegenüberliegenden Ecke des Zimmers flackerte blaues Licht auf, und ein Mann mit schlechter Haut, hohlen Wangen und Sonnenbrille spazierte ins Zimmer einer nackten Frau mit weißem Engelsgesicht. Die Szene war zum Heulen dumm. Der schwache Punkt. Reidun Rosendal war ganz still gewesen. Es war und blieb ein Rätsel, auf das ihm auch dieser Film keine Antwort liefern konnte. Er stand auf und sah auf die Uhr. Es war schon nach zwei Uhr. Er musste jetzt wirklich ins Bett.
    Nachdenklich schaute er ins Leere, während der Mann mit der Sonnenbrille der Frau im Fernseher laute Schreie entlockte.
    Er gähnte. Drehte sich um. Mensch, die schrie ja vielleicht! Er schaltete den Fernseher ab, stützte den Ischiasnerv mit der rechten Hand und reckte sich. Gunnarstranda trat ans Fenster und schaute hinaus.
    Gewalt. Natürlich kann Gewalt im Wesen eines Mannes Spuren hinterlassen. Nur sind die nicht sofort zu sehen. Jedenfalls konnte er sie nicht so schnell ausfindig machen. Aber es war schon vorgekommen. Auf der Anklagebank. Lange, blasse Bürofinger und ein Blick. Zwei schmale Schlitze hinter dicken Brillengläsern. Und endlich hatte er gewusst, was sie angestarrt hatte, die Frau, die von diesen weißen Fingern erwürgt worden war.
    Zwei Fenster im Haus gegenüber leuchteten warm und gelb aus der Dunkelheit. Der Mann dort drüben kam ans Fenster. Heute trug er ein Netzunterhemd und lockere Hosenträger. Er blies Zigarettenrauch in die Nacht, während er mit seiner Frau redete, die hinter ihm aufgetaucht war. Gleich wird sie wieder weinen, dachte Gunnarstranda, als er sie entdeckte. Ihr schwarzer, enger Büstenhalter quetschte ihre Haut zu dicken Wülsten.
    Zwei Zimmer, Küche, Bad können für eine Ehe sehr eng werden. Gunnarstranda wusste nicht, wie oft sie ihren Mann schon verflucht hatte, wenn er zu seinen Freitagabenden loszog. Routine. Der Mann hatte schon seit Jahren eine andere. Jetzt trat sie neben ihren rauchenden Mann und streichelte seinen Rücken. Was wohl das Schlimmste ist, philosophierte Gunnarstranda. Der Gedanke, dass er sie betrügt, oder der, dass alle anderen es wissen. Immerhin hält sie aus, dachte er grinsend. Noch hat sie ihn nicht umgebracht.
    Er spürte, wie sein Grinsen erstarrte, als er sich vom Fenster abwandte und mit steifen Bewegungen an seinem Schlips zog.
    Noch einmal wandte er sich um und beobachtete, wie der untreue Ehemann die Arme um seine füllige Gattin legte. Noch hatte sie ihn nicht umgebracht. Gunnarstranda lächelte böse. Ihn nicht. Warum in aller Welt sollte sie ihn umbringen?
    Der Schlips fiel über die Stuhllehne und rutschte auf den Sitz.
    Natürlich würde sie ihm niemals etwas antun!
    Gunnarstranda beobachtete, wie drüben das Licht erlosch. Er versuchte, Ordnung in seine Gedanken zu bringen, als ein Taxi mit gelbem Licht auf dem Dach durch den Regen rauschte, unterwegs zu einem der Nachtklubs in der Innenstadt, die jetzt noch geöffnet waren.
    Er knöpfte sein Hemd auf und war gerade bis zur Hälfte gekommen, als das Telefon klingelte. Er schnappte nach Luft, nahm aber nicht sofort ab. Stattdessen knöpfte er sein Hemd wieder zu. Sie würden es eine Zeit lang klingeln lassen. Das machten sie immer, wenn nachts etwas Wichtiges passiert war.

Achtunddreißig
    Das Erste, was Frank Frølich spürte, waren die Nachwirkungen von Gunders Fusel irgendwo in seinem Kopf. Danach hörte er vorn ferne, wie in einem bösen Traum, das Telefon.

Weitere Kostenlose Bücher