Tödliche Investitionen
Der Neuankömmling lenkte die Aufmerksamkeit aller auf sich und gestikulierte wild beim Reden. Er fegte ein Glas vom Tisch, ohne es überhaupt zu bemerken, offensichtlich war er ziemlich betrunken. Alle bogen sich vor Lachen.
Der Arsch scheint ja richtig lustig zu sein, dachte Frølich und füßelte unter dem Tisch mit Eva-Britt. Sie aß Spaghetti mit Soße, schaute auf, zwinkerte und saugte die Nudeln in den Mund. Ihre Lippen waren wirklich sexy. Sie senkte den Blick, streifte unter dem Tisch den Schuh ab und legte ihm den Fuß in den Schoß. Er blickte in sein Glas. Leer. Er winkte der Bedienung, die noch immer so tat, als ob dieser Tisch unbesetzt sei.
»Noch ein Bier!«
Sie war schon in die andere Richtung unterwegs.
»Du!«
Er zupfte sie am Arm.
Sie blieb stehen, drehte sich fast um.
»Der Typ da drüben, ist das Terje Engelsviken?«
Sie drehte sich ganz um. Sah ihn etwas interessierter an und nickte.
»Hab ich’s mir doch gedacht«, lächelte er. »Ich war mir nicht ganz sicher.«
Eva-Britt drehte sich um.
»Der Kerl, der jetzt die Jacke auszieht«, erklärte Frølich.
Beide beobachteten, wie Engelsviken sich mit seiner Jacke abmühte, wie er unsicher rückwärts taumelte und noch ein weiteres Glas umwarf. Das war witzig. Die ganze Gesellschaft heulte vor Lachen. Engelsviken lachte am lautesten. Er hob die leere Flasche und brüllte durchs ganze Lokal. Die Bedienung, die jetzt hinter dem Tresen stand, nickte. »So bestellen die großen Jungs ihre Getränke«, sagte Frølich.
»Hat er jemanden umgebracht?«
Eva-Britt hatte der Gesellschaft wieder den Rücken gekehrt und spielte mit ihrer Gabel.
»Ich weiß nicht.«
Er musterte Engelsviken, der zwischen den Tischen entlangtorkelte und den Leuten unterwegs auf die Schulter schlug. Er blieb stehen und redete mit einem Mann, richtete sich auf, legte den Kopf in den Nacken und lachte. Dann torkelte er weiter, um die Ecke zur Herrentoilette.
Vorsichtig entfernte Frølich den Fuß, der noch immer auf seinem Oberschenkel ruhte. »Muss kurz aufs Klo«, murmelte er und folgte Engelsviken.
Die Toilette war groß und hell. Der Boden war weiß gefliest, und in der parfümierten Luft hing ein schwacher Geruch nach Erbrochenem.
Der Mann im Seidenanzug stand vor dem einen Spiegel und kämmte sich. Seine Knie waren leicht gebeugt, und er gab sich große Mühe, um seine Frisur in Ordnung zu bringen. Frank Frølich ging zum Pissoir. Er dachte an Reidun Rosendal und ihren hübschen Mund. Der Mann am Waschbecken war verschwitzt und ein wenig übergewichtig, nicht gerade gut aussehend, aber jovial. Er hatte sichtlich viele Freunde, konnte Witze erzählen und laut lachen. Ein Mann, der in Gesellschaft dominierte. Wie jetzt. Er grölte eine Melodie: »I’m just a gigolo«, plärrte er. »Just a gigolo.«
Vollkommen falsch.
Jemand betätigte eine Klospülung, schloss die Tür auf, ging zum Waschbecken, um sich kurz die Hände nass zu machen, und verschwand.
Sie waren allein.
Frølich wurde fertig. Er trat neben Engelsviken, der endlich mit dem Schwung seiner Haare zufrieden war, den Kamm in die Hosentasche schob und im Spiegel seinen Blick erwiderte.
»Engelsviken?«
Der Mann nickte und wandte sich um. In seinem aufgedunsenen Gesicht hingen noch immer die Reste eines verkrampften Lächelns.
»Frank Frølich.«
Franken streckte die Hand aus. »Ich ermittle im Mordfall Reidun Rosendal.«
Siebenunddreißig
Es war spätnachts. Es war bereits Samstag, offiziell dienstfrei. Er hätte schon vor Stunden schlafen gehen sollen, hatte es immer wieder verschoben. Er würde ohnehin nicht schlafen können. Er hatte den Kopf zu voll.
Gunnarstranda saß am Wohnzimmertisch und blätterte halbherzig in einem Handbuch über Botanik. Manchmal brachte ihn dieses Thema auf andere Gedanken. Deshalb hatte er den ganzen Abend über immer wieder mal hineingeschaut. Er hatte da dieses Problem mit der Minze. Der letztjährige Quälgeist im Garten der Hütte. Es konnte sich um Ackerminze oder Katzenminze handeln. Um welche Art es sich genau handelte, war eigentlich nicht so wichtig. Aber es ärgerte ihn, dass er es nicht herausfinden konnte.
Das Problem war, dass die Minze eine selten schöne Clematis Sibirica bedrohte, die er und Edel gepflanzt hatten und die er bis jetzt durchgebracht hatte.
Die Clematis war inzwischen über zehn Jahre alt. Die Samen hatten sie im Sommer vor elf Jahren gesammelt, damals fuhren sie noch den alten Volkswagen. Sie waren zum Botanisieren nach
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