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Tödliche Jagd

Tödliche Jagd

Titel: Tödliche Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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Welt, meine Arme waren wie gelähmt. Die Ordonnanz war
wieder ins Zimmer gekommen; ich sah den jungen Burschen und Madame Ny,
die eine Schublade ihres Schreibtisches öffnete und einen Kasten
mit Subkutanspritzen herausnahm, wie in einem Zerrspiegel.
      Ihre Stimme kam von ganz weither, war aber klar und
deutlich. »Wir machen nicht die Fortschritte, die ich mir
wünsche, Ellis, und unsere Zeit ist nicht unbegrenzt. Wir
müssen andere Methoden versuchen. Keine schmerzvollen, nur zwei
kleine Injektionen. Zuerst Pentathol, was bei euch
fälschlicherweise als Wahrheitsserum bezeichnet wird.« Ich
spürte nichts, absolut nichts, als sie mir die Nadel in den Arm
stach. »Und jetzt eine kleine Dosis Methedrin.«
      Ich wußte, was das war. Die Hippies in New York nennen es Speed. Wie sagten sie immer? Speed kills?
      Ich schien zu schweben, sah mich einen Augenblick
lang, wie ich da auf meinem Stuhl saß, Madame Ny den ihren an
mich heranrückte, die Ordonnanz das Zimmer verließ und die
Tür hinter sich schloß. Zeitweise war ich mir dessen
bewußt, was ich sagte, ansonsten hörte sich die Unterhaltung
an wie das Rauschen des Meeres von ferne, aber ich redete
ununterbrochen; dabei kam mir vor allem eine Begebenheit wieder in den
Sinn, mit einer beunruhigenden Deutlichkeit und Bildhaftigkeit, wie ich
sie in meinem Traum in der Box schon einmal erlebt hatte.

    Helga Jorgenson war keine echte Finnin, sondern Schwedin, hatte aber
einen Finnen geheiratet. Im Frühsommer meines vierzehnten
Lebensjahres kam sie in den Haushalt meines Großvaters. Sie war
fünfunddreißig, im Jahr zuvor Witwe geworden, hatte langes,
aschblondes Haar und nach meinem, des heranwachsenden Jünglings,
Dafürhalten die aufregendste Figur aller Frauen. Und sie war der
netteste Mensch, den ich bis dahin kennengelernt hatte – immer
freundlich lächelnd, immer bereit, sich Zeit für mich zu
nehmen. Wir steckten oft zusammen. Ich hatte einen schlimmen Anfall von
Drüsenfieber gehabt, und auf Anraten des Arztes sollte ich nicht
gleich wieder ins Internat zurück, sondern die bis zu den Ferien
noch verbleibenden Wochen zu Hause verbringen und mich richtig erholen.
      Es wurde mein schönster Sommer, woran die
Fügung des Schicksals, daß mein Großvater in einen
britischamerikanischen Verteidigungsausschuß berufen wurde,
deshalb die meiste Zeit in London verbrachte und schließlich
sogar für einen Monat nach Washington ging, keinen unerheblichen
Anteil hatte.
      Ich brachte ihr das Reiten bei, wir spielten Tennis,
machten lange Spaziergänge in den Chiltern Hills, picknickten
unterwegs, und redeten und redeten, unterhielten uns in einer Art, wie
ich mich zuvor noch nie mit jemandem hatte unterhalten können. Ich
war in dem Alter, in dem man entdeckt, daß es zweierlei Menschen
gibt, und sie war eine schöne, sinnliche Frau in den besten
Jahren, der ein Mann fehlte.
      Sie hatte die Angewohnheit, mir gute Nacht zu
wünschen, indem sie mir einen leichten Klaps auf die Wange gab,
worauf mich stets ein wohliger Schauder durchlief. Dieses prickelnde
Gefühl und der Duft ihres Parfüms, der noch mein Schlafzimmer
erfüllte, veranlaßten mich zu erotischen Träumereien,
die für mein Alter völlig normal waren.
      An jenem Dienstag im Juli, als das Unglück seinen
Lauf nahm, war es drückend heiß; alles war durch die Hitze
wie gelähmt, eigenartig still. Sogar den Vögeln schien die
Lust am Singen vergangen zu sein. Helga lag im Bikini, einen alten
Strohhut auf dem Kopf, in einer zwischen den Buchen in unserem Garten
aufgespannten Hängematte. Ich lag darunter auf dem Bauch im Gras
und las zum vierten Mal innerhalb weniger Wochen ein Buch, das ich in
diesem Sommer entdeckt hatte. Der große Gatsby von Scott Fitzgerald.
    Seltsam, wie Kleinigkeiten im
Gedächtnis haften bleiben. Der Marienkäfer, der mir auf den
Arm krabbelte, die Schweißperlen auf der Stirn, und, nachdem ich
mich auf den Rücken gewälzt hatte, der Anblick ihres
Körpers durch das Maschengeflecht der Hängematte.
      Ihr rechter Arm hing locker herunter. Wie unter einem
Zwang berührte ich ihre Finger. Sie war eingenickt, was ihre
reflexhafte Reaktion erklärte. Ihre Finger schlossen sich um
meine, und mir wurde ganz flau im Magen, mehr aus Angst denn aus
Erregung. Ich stand langsam, fast widerstrebend auf, gezogen von ihrer
Hand.
      Sie hatte das Bikini-Oberteil abgelegt –
vermutlich wegen der Hitze – und den Strohhut tief ins Gesicht
gezogen. Ihre Augen waren

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