Tödliche Jagd
in den Blättern am Abend. Nichts.
Sie ließen mich acht Tage in diesem Kerker, und in dieser
Zeit wurde ich immer schwächer. Mit St. Claires Atemtechnik konnte
ich mich beinahe nach Belieben selbst in Trance versetzen, aus der ich,
soweit ich es beurteilen konnte, nach fünfzehn oder zwanzig
Stunden wieder erwachte.
Während der ganzen Zeit kam nie jemand, sprach
niemand mit mir. Ich sah auch nicht mehr, daß die Klappe in der
Tür aufging, obwohl ich weitere Gefäße mit Wasser
entdeckte; man schob sie wahrscheinlich herein, während ich in
Trance war.
Ich bekam nie etwas zu essen.
Gegen Ende meines Aufenthalts waren die
Verhältnisse in meinem Verlies unerträglich; aus
naheliegenden Gründen stank es wie in einer Jauchegrube.
Außerdem war ich sehr schwach – ganz benommen und benebelt.
Ich kann mich auch nicht daran erinnern, zwischendurch geträumt
oder an irgend etwas gedacht zu haben, mit einer Ausnahme: Ganz am Ende
hatte ich einen der lebhaftesten und bizarrsten Träume meines
Lebens.
Ich lag nackt auf einem schmalen Bett, und es war nicht mehr
dunkel. Ich war nicht mehr in der Box, denn ich konnte meine Umwelt
wieder wahrnehmen, sah die Dinge in einem angenehmen, diffusen Licht.
Es war warm. Wärme umhüllte mich, was nicht weiter
verwunderlich war, denn dieser Raum war voller Dampf.
Eine leicht verzerrte Stimme, wie ein fernes Echo, rief mich an. »Ellis? Bist du da, Ellis?«
Ich hob den Kopf und sah Madame Ny kaum einen Meter
vor mir stehen. Sie trug wie neulich Uniform und Lederstiefel, hatte
allerdings die Jacke ausgezogen und darunter nur eine einfache
weiße Baumwollbluse an.
Die Bluse saugte den Dampf wie ein Löschblatt
auf, und ich sah, wie sich, je mehr Flüssigkeit der dünne
Stoff aufnahm, wie durch Zauberei erst die Brustwarzen und dann die
Brüste selbst immer deutlicher abzeichneten.
Ich habe in meinem ganzen Leben kaum etwas gesehen,
was erotischer wirkte, und mein Körper reagierte entsprechend. Sie
trat ans Bett, beugte sich zu mir herunter und legte eine Hand auf
mich.
Ich versuchte die Hand wegzuschieben, doch Madame Ny
lächelte nur freundlich und sagte mit immer noch leicht
verzerrter, echoartiger Stimme: »Aber du mußt dich doch
nicht schämen, Ellis. Hab keine Angst.«
Sie öffnete den
Reißverschluß an der Seite und ließ ihren Uniformrock
zu Boden gleiten. Darunter trug sie ein Baumwollhöschen, das
ebenso mit Feuchtigkeit gesättigt war wie die Bluse. Sie zog es
aus, als wäre es die natürlichste Sache der Welt, setzte sich
auf die Bettkante und begann, die Bluse aufzuknöpfen.
Sie hatte runde, volle Brüste, benetzt mit
glänzenden Wasserperlen, unglaublich schön. Ich zitterte wie
Espenlaub, als sie mich an sich zog und mein Gesicht gegen ihre
Brüste preßte.
»Armer Ellis«, hallte ihre Stimme durch
den Dampf. »Armer kleiner Ellis. Niemand liebt ihn.
Niemand.« Dann drückte sie mich von sich weg, so daß
sie mir ins Gesicht sehen konnte. »Außer mir. Ich liebe
dich, Ellis.«
Und dann legte sie sich auf den Rücken, spreizte
die Schenkel, um mich aufzunehmen; ihr Mund war süß und
weich, und ich erlebte einen solch intensiven, leidenschaftlichen
Orgasmus, daß ich laut aufschrie.
Ich erwachte durch diesen Schrei in der Dunkelheit der
Box, der Gestank stach mir in die Nase; ich bemerkte, daß ich aus
irgendeinem Grund stand, nicht kauerte, und wieder laut schrie in einer
Art Trotzreaktion gegen die Mächte, die sich gegen mich
verschworen hatten.
Riegel wurden knallend zurückgeschoben, und einen
Augenblick später wurde die Tür geöffnet, und grelles
Licht flutete herein.
Sie hatten sich alle versammelt: der junge Offizier
und seine Männer, Oberst Chen-Kuen, neben ihm Madame Ny in voller
Uniform, diesmal sogar ganz korrekt mit einem Schiffchen, das vorne ein
roter Stern zierte. Sie sah blaß und besorgt aus. Nein, mehr als
das: bestürzt. Im Gegensatz zu Chen-Kuen, den nur interessierte,
wie ich alles überstanden hatte – ganz Wissenschaftler.
Ich schwankte hin und her, während sie sich an
einer Tür gegenüber zu schaffen machten. Als sie aufging, war
es dahinter dunkel, und dann kam St. Claire heraus.
Er hatte einen Körper wie der
Koloß von Rhodos, wie aus Ebenholz gehauen. Stolz lag in seinem
Blick, seine Nacktheit kümmerte ihn nicht im geringsten. Als er
mich sah, bemerkte ich ein Aufflackern in seinen Augen, und mit zwei
schnellen Schritten war er bei mir, legte den Arm um mich und
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