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Tödliche Küsse

Tödliche Küsse

Titel: Tödliche Küsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. D. Robb
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Video an, machen einen kurzen Ausflug mit ihren Virtual-Reality-Brillen oder werfen ein paar Credits in eine Simulationszelle am Time Square. Aber du machst immer alles wirklich.«
    »Ich ziehe eben die Wirklichkeit vor.«
    »Ich weiß. Das ist ebenfalls seltsam an dir. Du hast Gefallen an allen möglichen alten Sachen. Du liest lieber ein Buch, als eine Diskette zu scannen, du machst dir lieber die Mühe, tatsächlich hierher zu fliegen, statt einfach eine Simulation in dein Hologramm einzuprogrammieren.« Sie verzog den Mund zu einem träumerischen Lächeln. »Aber das gefällt mir – «
    »Das ist praktisch.«
    »Als du ein Kind warst und als alles eher beschissen für dich lief, hast du da von einem Leben, wie du es jetzt führst, geträumt?«
    »Ich habe davon geträumt, zu überleben und aus dem ganzen Elend rauszukommen. Selbst die Kontrolle über mein Leben zu übernehmen. Du nicht?«
    »Ich schätze, ja.« Zu viele ihrer Träume waren wirr und düster. »Zumindest, nachdem ich in das Kinderheim gekommen war. Schon damals wollte ich unbedingt Polizistin werden. Eine gute Polizistin. Eine clevere Polizistin. Was wolltest du werden?«
    »Reich und satt.«
    »Dann haben wir beide mehr oder weniger bekommen, was wir uns gewünscht haben.«
    »Du hattest Albträume, während ich weg war.«
    Sie brauchte die Augen nicht zu öffnen, um zu wissen, dass er sie besorgt ansah. Sie hörte es bereits an seiner Stimme. »Sie sind nicht so schlimm. Sie kommen in letzter Zeit nur einfach regelmäßiger.«
    »Eve, wenn du dich mit Doktor Mira zusammensetzen würdest – «
    »Ich bin noch nicht bereit mich zu erinnern. Nicht an alles. Spürst du jemals die Narben der Wunden, die dein Vater dir zugefügt hat?«
    Unruhig rutschte er auf seinem Platz herum und versank schließlich tiefer in dem heißen, schaumgekrönten Wasser. »An ein paar der Schläge, die er mir verpasst hat, an ein paar der Grausamkeiten, zu denen er fähig war. Aber weshalb sollte das heute noch von Bedeutung für mich sein?«
    »Du tust diese Dinge also mit einem Schulterzucken ab.« Jetzt öffnete sie die Augen und sah in sein nachdenkliches Gesicht. »Aber sie haben dich zu dem gemacht, der du heute bist, oder etwa nicht? Das, was damals war, hat den heutigen Roarke geformt.«
    »Ich nehme an, das könnte man so sagen.«
    Sie nickte und bemühte sich um einen beiläufigen Ton, als sie fragte: »Roarke, glaubst du, dass Menschen, die, weil ihnen etwas fehlt, ihre Kinder misshandeln – so wie wir misshandelt worden sind? Dass dieser Mangel vererbt wird? Glaubst du?«
    »Nein.«
    »Aber – «
    »Nein.« Er legte eine Hand um ihre Wade und drückte zärtlich zu. »Langfristig machen wir uns selbst zu den Menschen, die wir sind. Du und ich haben das getan. Wenn das nicht so wäre, würde ich meine Tage als Trunkenbold in irgendeinem Slum in Dublin verbringen und mir irgendwelche Schwächeren suchen, um sie zu drangsalieren. Und du, Eve, wärst eine kalte, spröde, mitleidlose Frau.«
    Wieder schloss sie ihre Augen. »Manchmal bin ich das ja auch.«
    »Nein, das bist du nie. Du bist stark, du hast einen extrem ausgeprägten Sinn für Moral, und manchmal machst du dich vor lauter Mitleid mit den unschuldigen Opfern von irgendwelchen Verbrechen richtiggehend krank.«
    Ihre Augen begannen zu brennen. »Ein Mensch, den ich bewundere und respektiere, hat mich um Hilfe gebeten, hat mich gebeten, ihm einen Gefallen zu erweisen. Und ich habe ihn eiskalt abgewiesen. Wozu macht mich das?«
    »Zu einer Frau, die eine Entscheidung fällen musste.«
    »Roarke, die letzte der ermordeten Frauen, Louise Kirski. Sie geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Sie war vierundzwanzig, eine talentierte, eifrige Cutterin, in einen zweitklassigen Musiker verliebt. Sie hatte eine voll gestopfte Ein-Zimmer-Wohnung in der sechsundzwanzigsten Straße und eine Vorliebe für chinesisches Essen. Ihre Familie, die in Texas lebt, wird nie wieder so sein wie vor dem Verbrechen. Sie war unschuldig, Roarke, und sie verfolgt mich bis in meine Träume.«
    Erleichtert atmete sie aus. »Das habe ich bisher niemandem erzählen können. Ich war mir nicht sicher, ob ich es überhaupt jemals laut aussprechen könnte.«
    »Es freut mich, dass du es mir erzählt hast. Und jetzt hör mir zu.« Er stellte sein Glas ab, beugte sich zu ihr hinüber und umfasste mit beiden Händen ihr Gesicht. Ihre Haut war weich, ihre Augen nicht mehr als zwei dunkle, bernsteinbraune Schlitze. »Es ist das Schicksal, das am Ende

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