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Tödliche Küsse

Tödliche Küsse

Titel: Tödliche Küsse
Autoren: J. D. Robb
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Altersgenossen – Eve wusste, dass er Mitte sechzig war – hatte er seine grauen Haare nicht gefärbt. Eine sehr gute Entscheidung, dachte sie, denn seine dichte Löwenmähne schimmerte so silbrig wie einer der antiken Kerzenständer in Roarkes Esszimmer.
    Seine Augen hatten dieselbe eindrucksvolle Farbe, obgleich die Trauer oder einfach die Ermüdung sie augenblicklich etwas trübte.
    Er kam direkt auf sie zu und ergriff ihre beiden Hände. »Eve.« Als seine Lippen über ihre Wange strichen, zuckte sie zusammen. Er gestaltete das Treffen absichtlich persönlich. Das war ihnen beiden klar.
    »George«, begann sie und trat unauffällig einen Schritt zurück. »Ich weiß es zu schätzen, dass Sie Zeit gefunden haben, um mich umgehend zu empfangen.«
    »Unsinn. Tut mir Leid, dass ich Sie habe warten lassen. Aber ich musste erst noch ein Gespräch beenden.« Er winkte in Richtung des Sofas, wobei sich die Ärmel seines bequemen Hemdes blähten, und sie nahm lautlos seufzend Platz. »Was darf ich Ihnen anbieten?«
    »Nichts, wirklich.«
    »Kaffee.« Er bedachte sie mit einem leisen Lächeln. »Ich erinnere mich daran, dass Sie sehr gerne Kaffee trinken. Zufällig haben ich etwas von Roarkes Mischung im Haus.« Er drückte einen Knopf in der Sofalehne, worauf ein kleiner Bildschirm aufklappte. »Eine Kanne Argentinisches Gold«, befahl er. »Und zwei Tassen.« Immer noch lächelnd drehte er sich wieder zu ihr um. »Er wird mir helfen, mich etwas zu entspannen«, erklärte er ihr. »Es überrascht mich nicht, Sie heute Morgen hier anzutreffen, Eve. Oder vielleicht sollte ich Sie unter den gegebenen Umständen lieber Lieutenant Dallas nennen?«
    »Dann ist Ihnen klar, weshalb ich hier bin.«
    »Natürlich. Wegen Cicely. Ich kann mich einfach nicht daran gewöhnen.« Seine cremigweiche Stimme zitterte ein wenig. »Ich habe es inzwischen zahllose Male in den Nachrichten gehört. Ich habe mit ihren Kindern und mit Marco gesprochen. Aber trotzdem kann ich anscheinend nicht begreifen, dass sie nicht mehr lebt.«
    »Sie haben sie am Abend vor ihrer Ermordung noch gesehen.«
    Einer seiner Wangenmuskeln zuckte. »Ja. Wir haben zusammen zu Abend gegessen. Das haben wir häufig getan, wenn unsere Terminkalender es zuließen. Mindestens einmal pro Woche. Wenn es klappte, öfter. Wir standen einander sehr nahe.«
    Er machte eine Pause, als ein kleiner Servier-Droide mit dem Kaffee hereingeglitten kam. Hammett griff jedoch selbst nach der Kanne und konzentrierte sich beinahe leidenschaftlich auf das Einschenken.
    »Wie nahe?«, fragte Eve, die sah, dass die Hand, mit der er nach seiner Tasse griff, nicht gänzlich ruhig war.
    »Sehr, sehr nahe. Wir waren ein Paar, seit mehreren Jahren. Ich habe sie sehr geliebt.«
    »Trotzdem hatten Sie die ganze Zeit über getrennte Wohnungen.«
    »Ja, sie – wir wollten es beide so. Unsere Geschmäcker waren, um es charmant zu formulieren, sehr verschieden, und die einfache Wahrheit ist die, dass wir beide unsere Unabhängigkeit und unseren persönlichen Freiraum nicht aufgeben wollten. Ich glaube, es war sogar einer der Reize unserer Beziehung, dass wir eine gewisse Distanz gewahrt haben.« Er atmete tief ein. »Aber es war kein Geheimnis, dass wir eine Beziehung hatten, zumindest nicht vor unseren Freunden und Verwandten.« Er atmete wieder aus. »Vor der Öffentlichkeit haben wir beide unser Privatleben möglichst abzuschirmen versucht. Was, wie ich annehme, jetzt sicher nicht mehr möglich ist.«
    »Das bezweifle ich ebenfalls.«
    Er schüttelte den Kopf. »Aber das ist vollkommen egal. Das Einzige, was zählt, ist, denjenigen zu finden, der ihr das angetan hat. Ich kann es einfach nicht fassen. Nichts kann etwas daran ändern, dass sie nicht mehr lebt. Cicely war«, sagte er langsam, »die bewundernswerteste Frau, die ich je kennen gelernt habe.«
    Sowohl als Mensch als auch als Polizistin spürte sie instinktiv, dass dieser Mann tiefe Trauer um die Ermordete empfand, doch sie wusste, dass selbst Mörder um ihre Opfer trauerten. »Ich muss wissen, um welche Uhrzeit Sie sie zum letzten Mal gesehen haben. George, dies ist eine offizielle Befragung, ich werde Ihre Antwort demnach aufnehmen.«
    »Ja, natürlich. Es war ungefähr um zehn. Wir haben bei Robert’s in der Zwölften Straße East gegessen, und anschließend haben wir gemeinsam ein Taxi genommen. Ich habe sie vor ihrer Haustür abgesetzt. Gegen zehn«, wiederholte er die Antwort auf die Frage nach der Zeit. »Ich weiß, dass ich
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