Tödliche Küsse
seine Hände in die Ärmel seiner Jacke und berührte dabei die ausgebeulte Tasche. »Das hätte ich ja beinahe vergessen. Ich habe dir etwas aus Australien mitgebracht.«
Zögernd nahm Eve die schmale, goldfarbene Schatulle, klappte sie langsam auf und schrie schockiert auf. »Großer Gott im Himmel, Roarke. Bist du jetzt völlig übergeschnappt?«
Es war ein Diamant. Sie kannte sich gut genug mit Edelsteinen aus, um sicher zu sein. Der Stein, der an einer geflochtenen goldenen Kette baumelte, war geformt wie eine Träne und so lang und breit wie das erste Glied eines Männerdaumens.
»Sie nennen ihn Träne des Riesen«, sagte er, während er das Schmuckstück lässig aus der Schachtel nahm und es ihr um den Hals legte. »Er wurde vor ungefähr hundertfünfzig Jahren gefunden. Zufällig wurde er gerade versteigert, als ich in Sydney war.« Er trat einen Schritt zurück und betrachtete den funkelnden Stein auf dem schlichten blauen Morgenmantel, den sie als einziges Kleidungsstück am Leib hatte. »Ja, ich habe mir gedacht, dass er dir stehen würde.« Dann blickte er ihr lächelnd ins Gesicht. »Oh, ich sehe, du hattest eher auf ein paar Kiwis gehofft. Tja, vielleicht beim nächsten Mal.« Als er sich nach vorne beugte, um sie zum Abschied zu küssen, schlug sie ihm wenig sanft gegen die Brust. »Gibt es irgendein Problem?«
»Das ist völliger Wahnsinn. Du kannst unmöglich erwarten, dass ich so etwas annehme.«
»Ab und zu trägst du doch Schmuck.« Zum Beweis klimperte er mit dem kleinen goldenen Ring an ihrem Ohr.
»Ja, aber den kaufe ich für gewöhnlich an einem der Stände in der Lexington Street.«
»Ich nicht«, erwiderte er fröhlich.
»Nimm das Ding sofort zurück.«
Sie wollte die Kette gerade über ihren Kopf ziehen, als er ihre Hand nahm. »Es passt nicht zu meinem Anzug, Eve. Ein Geschenk ist eigentlich nicht dazu gedacht, dass du vor Schreck blass wirst.« Er schüttelte sie sanft. »Ich habe den Stein zufällig gesehen und dabei an dich gedacht. Verdammt, ich denke die ganze Zeit an dich. Ich habe die Kette gekauft, weil ich dich liebe. Himmel, wann wirst du das endlich schlucken?«
»Das kannst du nicht mit mir machen.« Sie sagte sich, sie wäre ruhig, vollkommen ruhig. Denn schließlich war sie eindeutig im Recht. Sein Zorn schreckte sie nicht, ihm war sie schon öfter ausgesetzt gewesen. Doch der Stein lag wie ein Bleigewicht um ihren Hals, und das, was er bedeutete, bereitete ihr eine Heidenangst.
»Was kann ich nicht mit dir machen? Was genau kann ich nicht mit dir machen?«
»Du wirst mir keinen Diamanten schenken.« Außer sich vor Zorn und vor Entsetzen stieß sie ihn von sich fort. »Du wirst mich nicht zwingen zu nehmen, was ich nicht haben will, oder zu sein, was ich nicht sein kann. Bildest du dir ernsthaft ein, ich wüsste nicht, was du seit Monaten versuchst? Hältst du mich wirklich für so dumm?«
Seine Augen blitzten ebenso hart wie der Stein auf ihrer Brust. »Nein, ich halte dich nicht für dumm. Ich halte dich für feige.«
Automatisch ballte sie die Faust. Oh, wie gerne hätte sie damit das selbstgerechte Grinsen aus seinem Gesicht gewischt. Hätte er nicht Recht gehabt, dann hätte sie es sicher auch getan. So jedoch brauchte sie eine andere Waffe.
»Du denkst, du könntest mich dazu bringen, dich zu brauchen, mich daran zu gewöhnen, in deinem goldenen Palast zu wohnen und ständig teure Kleider zu tragen. Aber all das interessiert mich keinen Pfifferling!«
»Das ist mir durchaus klar.«
»Ich brauche weder dein erlesenes Essen noch deine kostbaren Geschenke noch deine ausgewählten Worte. Ich weiß, was du denkst, Roarke. Du denkst, du brauchst nur regelmäßig ›ich liebe dich‹ zu sagen, bis ich lerne darauf zu reagieren. Wie ein gut trainiertes Haustier.«
»Wie ein gut trainiertes Haustier«, wiederholte er, während sein Zorn zu Eis gefror. »Ich sehe, ich habe mich geirrt. Du bist doch dumm. Meinst du wirklich, hier ginge es um Kontrolle und um Macht? Ach, denk doch, was du willst. Ich bin es einfach leid, ständig meine Gefühle vorgehalten zu bekommen. War ein Fehler, dass ich sie überhaupt erst zugelassen habe, aber das lässt sich sicher ändern.«
»Ich habe nie – «
»Nein, du hast nie«, unterbrach er kühl. »Du bist nie das Risiko eingegangen, diese Worte zu erwidern. Du bist nie das Risiko eingegangen, diese Zufluchtsstätte aufzugeben und zu mir zu ziehen. Bisher habe ich dich die Grenze ziehen lassen, Eve, doch jetzt ist es an der
Weitere Kostenlose Bücher