Tödliche Küsse
Brötchen war uralt, doch das war bei Eve normal. Er machte es sich vor dem Monitor gemütlich, überflog die Wirtschaftsseiten der diversen Zeitungen, konnte sich jedoch nicht auf das konzentrieren, was er las.
Er bemühte sich, sich nicht davon irritieren zu lassen, dass sie lieber in ihrem eigenen Bett geschlafen hatte als in dem Bett in seinem Haus. Dem Bett, das er als ihre gemeinsame Schlafstätte ansah. Ihr Bedürfnis nach eigenem Raum nahm er ihr nicht übel, das konnte er gut verstehen. Aber sein Haus war groß genug, dass sie einen ganzen Flügel für sich hätte haben können, wenn sie es gewollt hätte.
Er schob seinen Stuhl ein Stück zurück, stand auf und trat ans Fenster. Diesen Kampf, diesen Krieg, in dem es darum ging, die eigenen Bedürfnisse mit denen eines anderen Menschen abzustimmen, war er einfach nicht gewohnt. Bisher hatte er immer einzig an sich selbst gedacht. Diese Vorgehensweise war unerlässlich gewesen für sein Überleben und seinen Erfolg.
Es war schwer, mit dieser Gewohnheit zu brechen – oder zumindest war es schwer gewesen, bis er Eve begegnet war.
Es war erniedrigend, auch nur sich selbst gegenüber eingestehen zu müssen, dass er jedes Mal, wenn er geschäftlich unterwegs war, von der Angst gequält wurde, sie könnte ihn, bis er zurück war, abgeschüttelt haben.
Doch Tatsache war nun einmal, dass er genau das brauchte, was sie ihm bisher verwehrt hatte. Das Eingeständnis, dass sie ihrer beider Beziehung ebenso ernst nahm wie er.
Er wandte sich vom Fenster ab, kehrte an den Monitor zurück und zwang sich weiterzulesen.
»Guten Morgen«, sagte Eve aus Richtung der Tür. Sie bedachte ihn mit einem schnellen, hellen Lächeln, das ebenso von der Freude ihn zu sehen herrührte wie von der Tatsache, dass der Besuch des Armageddon nicht die gefürchteten Konsequenzen für sie zu haben schien. Sie fühlte sich fantastisch.
»Deine Brötchen sind alt.«
»Mmm.« Zur Probe biss sie in das auf dem Tisch liegende Stück. »Du hast Recht.« Mit Kaffee fuhr man immer besser. »Irgendwelche Nachrichten, derentwegen ich mir Sorgen machen müsste?«
»Beschäftigst du dich mit der Übernahme von Treegro?«
Eve rieb sich schlaftrunken ein Auge und hob ihre erste Tasse Kaffee an den Mund. »Was ist Treegro, und wer übernimmt es?«
»Treegro ist eine Wiederaufforstungsgesellschaft, daher auch der zutreffende Name, der schließlich nichts anderes heißt als Baumwuchs. Und ich bin derjenige, der die Gesellschaft übernimmt.«
Sie knurrte. »Natürlich, wer wohl sonst. Allerdings hatte ich eher an den Towers-Fall gedacht.«
»Der Gottesdienst für Cicely findet morgen statt. Sie war wichtig und katholisch genug, sodass er in der St. Patrick’s Cathedral abgehalten wird.«
»Wirst du hingehen?«
»Wenn ich es schaffe, ein paar Termine umzulegen. Und du?«
»Ja.« Nachdenklich lehnte sich Eve gegen den Tisch. »Vielleicht ist auch ihr Mörder dort.«
Sie betrachtete Roarke, der abermals den Bildschirm überflog. In seinem teuren, maßgeschneiderten Leinenhemd und mit der aus dem einzigartig attraktiven Gesicht gestrichenen luxuriösen schwarzen Mähne hätte er in ihrer Küche deplaziert aussehen müssen.
Weshalb nur wirkte es stattdessen, als gehöre er genau hierher? In diese kleine Küche, an die Seite einer so wenig eleganten Frau?
»Irgendein Problem?«, murmelte er in dem Bewusstsein, dass sie ihn anstarrte.
»Nein. Mir gehen einfach verschiedene Dinge durch den Kopf. Wie gut kennst du diesen Angelini?«
»Marco?« Roarke runzelte angesichts von irgendetwas, was er auf dem Bildschirm sah, die Stirn, zog sein Notebook aus der Tasche und machte sich eine Notiz. »Wir laufen uns relativ häufig über den Weg. Ein meistens vorsichtiger Geschäftsmann und ein stets liebevoller, treusorgender Vater. Lebt vorzugsweise in Italien, aber seine Geschäfte führt er von New York aus. Lässt der katholischen Kirche regelmäßig großzügige Spenden zukommen.«
»Er scheint durch den Tod von Towers zu einer beträchtlichen Menge Geld zu kommen. Vielleicht ist es für ihn nur so was wie der Tropfen auf den heißen Stein, aber Feeney geht der Sache trotzdem erst mal nach.«
»Du hättest einfach mich fragen können«, murmelte Roarke. »Ich hätte dir gesagt, dass Marco in Schwierigkeiten steckt. Keine besonders großen Schwierigkeiten«, schränkte er angesichts des plötzlichen Blitzens in Eves Augen hastig ein. »Er hat im letzten Jahr ein paar schlechte Käufe getätigt.«
»Du
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