Tödliche Küsse
Zeit, sie zu verschieben.« Es war weder reiner Zorn noch Schmerz, sondern vielmehr die Wahrheit, die ihn zu diesen Sätzen trieb. »Ich will entweder alles«, erklärte er ihr tonlos, »oder ich will nichts.«
Sie würde nicht in Panik ausbrechen; er würde sie nicht in Panik ausbrechen lassen wie eine blutige Anfängerin. »Was genau soll das heißen?«
»Es soll heißen, dass bloßer Sex nicht reicht.«
»Es ist kein bloßer Sex. Du weißt – «
»Nein, ich weiß nicht. Die Wahl liegt ganz bei dir – sie lag von Anfang an bei dir. Aber jetzt bist du diejenige, die zu mir kommen muss.«
»Ich habe es noch nie gemocht, wenn man mir ein Ultimatum stellt.«
»Das ist bedauerlich.« Er bedachte sie mit einem letzten langen Blick. »Mach’s gut, Eve.«
»Du kannst nicht einfach gehen – «
»Oh, doch.« Er drehte sich nicht noch einmal zu ihr um. »Ich kann.«
Ihre Kinnlade klappte schlaff herunter, als sie hörte, wie die Tür hinter ihm ins Schloss fiel. Einen Moment lang stand sie einfach vollkommen reglos da, während das Licht der Sonne auf das Schmuckstück fiel. Dann begann sie zu zittern – natürlich nur aus Wut, wie sie sich sagte –, riss sich den kostbaren Diamanten herunter und schleuderte ihn auf den Tisch.
Er bildete sich ernsthaft ein, sie würde zu ihm gekrochen kommen und ihn anflehen zu bleiben. Sollte er doch denken, was er wollte. Eve Dallas kroch niemals auf den Knien, und sie flehte auch niemals irgendjemanden an.
Sie schloss ihre Augen, denn der Schmerz war stärker, als hätte ein Laser sie getroffen. Wer zum Teufel ist Eve Dallas?, fragte sie sich verzweifelt. War dies nicht die Frage, die hinter allem stand?
Sie schob die Geschichte beiseite. Was hatte sie sonst schon für eine Wahl? Ihre Arbeit hatte Vorrang. Musste Vorrang haben. Wenn sie kein guter Cop war, dann war sie überhaupt nichts. Sie fühlte sich so leer und hilflos wie das Kind, das vor Jahren verletzt und traumatisiert in einer dunklen Gasse in Dallas aufgegriffen worden war.
Am besten verschanzte sie sich hinter ihrer Arbeit. Hinter den zahllosen Anforderungen, hinter dem ständigen Druck. Durch und durch Polizistin, betrat sie schließlich Commander Whitneys Büro.
»Sie hatte jede Menge Feinde.«
»Haben wir die nicht alle?« Seine Augen waren wieder klar, sein Blick wieder wach. Die Trauer um die Freundin konnte auf Dauer nicht größer sein als seine Verantwortung als Polizist.
»Feeney hat eine Liste ihrer Verurteilungen erstellt. Wir gehen sie alle durch, angefangen mit den Lebenslänglichen und deren Verwandte und Bekannte. Die Kerle, die sie lebenslänglich in den Knast gebracht hat, haben sicher den größten Wunsch nach Rache. Dann kommen die Verrückten. Manchmal fallen sie durch das Netz. Sie hat ziemlich viele Typen in die Psychiatrie einweisen lassen, und ich bin der festen Überzeugung, dass einige von ihnen einen Weg hinausgefunden haben.«
»Das ist eine Menge Computerarbeit, Dallas.«
Dies war ein diskreter Hinweis auf das angespannte Budget, doch sie ging nicht darauf ein. »Ich weiß es zu schätzen, dass Sie mir Feeney zugewiesen haben. Ohne ihn wäre ich tatsächlich ziemlich aufgeschmissen. Commander, diese Überprüfungen gehören zur Routine, aber ich glaube nicht, dass Towers in ihrer Funktion als Staatsanwältin angegriffen und ermordet worden ist.«
Er lehnte sich zurück und bedachte sie mit einem abwartenden Blick.
»Ich denke, es war etwas Persönliches. Sie wollte etwas vertuschen. Etwas, was entweder sie selbst oder jemand anderen betraf. Sie hat den letzten Anruf auf ihrem Tele-Link gelöscht.«
»Ich habe Ihren Bericht gelesen, Lieutenant. Wollen Sie mir damit etwa sagen, Sie denken, Staatsanwältin Towers wäre in irgendetwas Illegales verstrickt gewesen?«
»Stellen Sie mir diese Frage als mein Freund oder als mein Vorgesetzter?«
Er bleckte die Zähne, dann jedoch riss er sich zusammen und nickte nach kurzem inneren Ringen langsam mit dem Kopf. »Gut formuliert, Lieutenant. Als Ihr Vorgesetzter.«
»Ich weiß nicht, ob es um etwas Illegales ging. Bisher gehe ich einfach davon aus, dass während des letzten Link-Gesprächs etwas gesagt wurde, von dem das Opfer nicht wollte, dass ein Dritter es erfährt. Es war wichtig genug, dass sie sich noch einmal angezogen hat und trotz des Regens aus dem Haus gegangen ist, um jemanden zu treffen. Wer auch immer dieser Jemand war, er war sich sicher, dass sie alleine kommen würde und dass es keinen Beweis für die Begegnung
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