Tödliche Liebe: Roman (German Edition)
Reihen von Videokassetten durch. Dieser Mann war kein Fan mehr, er war ein Fanatiker. Die sauber beschrifteten Aufkleber kennzeichneten Videos mit Fernsehserien, Spielfilmen und Nachrichtenereignissen. Über einhundert schwarze Kassetten säumten die Wand neben dem Fernseher. Mit einer Hand jonglierte Finn dabei mit der Fernbedienung. Wenn er nach der Durchsuchung des Hauses noch die Zeit hatte, sich ein paar Videos anzuschauen, würde er einige überfliegen und nachschauen, ob sie noch persönlicheres Material über Jeff enthielten.
Er legte die Fernbedienung beiseite und war nur einen Knopfdruck davon entfernt, Deanna live auf den Bildschirm zu bekommen. Dann wandte er sich dem Kleiderschrank zu.
Der Geruch von Mottenkugeln, der Geruch einer alten Frau, kitzelte in seiner Nase. Die Hosen hingen gerade und genau ausgerichtet nach unten, Jacken schmückten gepolsterte
Bügel, Schuhspanner hielten die Schuhe in Form. Das Fotoalbum, das er auf dem Regal fand, enthielt nur die Schnappschüsse eines älteren Mannes, der darauf manchmal allein und manchmal mit Jeff an seiner Seite zu sehen war, und immer ein ausgesprochen finsteres und angespanntes Gesicht machte. Neben jedem Foto standen sorgfältige Notizen.
Onkel Matthew an seinem fünfundsiebzigsten Geburtstag. Juni 1983. Onkel Matthew und Jeff, Ostern 1983. Onkel Matthew, November 1988.
Ansonsten war in dem Album niemand zu sehen. Nur ein Mann, jung, ein wenig dünn, und sein Onkel mit dem gepanzerten Gesicht. Nie war ein junges Mädchen oder ein lachendes Kind oder ein herumtollendes Haustier zu sehen.
Das Buch in seinen Händen fühlte sich ungesund und krank an. Finn schob es ins Regal zurück und achtete darauf, die Ecken genau auszurichten.
Alles kleine Einzelheiten, dachte er grimmig.
In der obersten Schublade des Kleiderschranks befand sich die Unterwäsche. Alles schneeweiße Boxershorts, gebügelt und gefaltet. Darunter war nur noch glattes weißes Papier, das einen leichten Fliederduft verströmte.
Der ist ja fast noch schlimmer als der Geruch der Mottenkugeln, dachte Finn und ging zur nächsten Schublade über.
Keines der üblichen Verstecke war genutzt. Er fand keine Papiere, keine Päckchen, die mit Heftpflaster an die Unterseite oder den Rücken der Schubladen geklebt waren, keine Wertsachen in den Zehenräumen der Schuhe. In der Nachttischschublade lag eine aktuelle Fernsehzeitung mit ausgewählten gelb markierten Programmen. Ein Block, ein gespitzter Bleistift und ein zusätzliches Taschentuch lagen daneben.
Annähernd eine Stunde hatte er sich jetzt im Haus aufgehalten, als er endlich Erfolg hatte. Unter dem Kissen fand er das Tagebuch. Es war in glänzendes Leder gebunden und abgeschlossen. Finn suchte gerade in seiner Tasche nach seinem Taschenmesser, als er das Rasseln eines Schlüssels im Schloß vernahm.
»Verdammt, Fran.« Er blickte zum Schrank, dann machte
er einen Schritt nach vorne auf die Schlafzimmertür zu. Er würde dem Feind lieber offen gegenübertreten, als sich in dieses demütigende Versteck zu begeben. Jeff lief den Flur entlang und pfiff auf dem Weg zur Küche leise vor sich hin.
»Scheint alles gar nicht so schlecht zu laufen, nicht wahr? Du Scheißkerl!« murmelte Finn flüsternd und schlich sich zur Treppe.
Er konnte es nicht erwarten, sie zu sehen. Jeff wußte, daß er ein Risiko auf sich genommen hatte, als er das Büro verließ, obwohl Fran so sehr darauf gedrängt hatte, daß er blieb. Doch dann war er ihr entschlüpft und brannte darauf, nach Hause zu kommen, zu Deanna. Das Büro ist in Aufruhr, dachte er. Arbeiten konnte dort ohnehin niemand, und er konnte jederzeit behaupten, daß er sich zurückziehen mußte. Niemand würde ihn deswegen verurteilen.
Jeff goß sich ein Glas Milch ein, arrangierte extrafeine Teeplätzchen auf einem Porzellanteller und stellte alles zusammen mit einer weiteren einzelnen Rose auf ein Tablett.
Jetzt müßte sie ausgeruht sein, dessen war er sich sicher. Sie würde sich bestimmt auch besser fühlen, das Zimmer war jetzt schon mehr ihr Zuhause. Und bald, sehr bald würde sie sehen, wie gut er für sie sorgen konnte.
Oben an der Treppe wartete Finn. Er hörte Jeff pfeifen und das Geräusch aneinanderklingelnden Geschirrs. Er hörte seine Schritte, ein leises Klicken und wenige Augenblicke später ein weiteres Klicken.
Dann war alles still.
Wohin ist der Kerl gegangen? fragte er sich. Leise huschte er die Treppe hinunter und glitt dann wie ein Schatten von Zimmer zu
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