Tödliche Liebe: Roman (German Edition)
passen.«
Jenner bestätigte das mit einem leichten Nicken. »Ein Mensch kann zwanghaft ordentlich sein, ohne deswegen zwanghaft mordlustig zu sein.«
»Wo war eigentlich der Weihnachtsbaum?« murmelte Finn.
»Der Weihnachtsbaum?«
»Er hat den Kranz, er hat die Lichter. Aber keinen Baum. Man könnte annehmen, er hätte den Baum irgendwo anders.«
»Vielleicht gehört er zu jenen traditionsbewußten Menschen, die ihn bis zum Heiligabend nicht aufstellen.« Das Fehlen des Weihnachtsbaums war tatsächlich interessant.
»Noch etwas, Lieutenant. Er behauptet, er kam früh nach
Hause, um sich hinzulegen. Das Bett in seinem Zimmer war das einzige, was nicht aufgeräumt war. Das Kissen ein wenig zerknautscht, die Bettdecke zerwühlt. Wir haben ihn um sein Nickerchen gebracht.«
»Das hat er ja auch gesagt.«
»Warum hatte er dann seine Schuhe an?« Finns Augen funkelten im Dämmerlicht. »Die Schnürsenkel waren mit Doppelknoten gebunden. Ein solcher Pedant legt sich doch nicht mit Schuhen aufs Bett.«
Verdammt, er hatte diesen Hinweis tatsächlich übersehen, dachte Jenner. »Ich glaube, ich sagte es bereits, Mr. Riley, Ihnen entgeht wohl so leicht nichts.«
Zu Hause konnte er nicht bleiben. Nicht ohne sie. Finn tat das einzige, was möglich schien. Er fuhr zurück zum Sender, mied allerdings die Nachrichtenredaktion. Er hätte es nicht ertragen können, Fragen zu beantworten oder Fragen gestellt zu bekommen, ging in sein Büro und braute sich einen starken Kaffee. In die erste Tasse kam noch ein ordentlicher Schuß Whiskey.
Er startete seinen Computer.
»Finn.« Fran stand in der Tür, ihr Gesicht war ganz fleckig, die Augen geschwollen und rot. Noch bevor er sich ganz erhoben hatte, stolperte sie einen Schritt nach vorne. »O Gott, Finn.«
Er strich ihr über die zitternden Schultern, obwohl er keine tröstenden Worte fand, die er ihr hätte sagen können. Im Moment war es lediglich Gewohnheit, tröstende Etikette, die niemandem etwas bedeutete.
»Ich mußte Kelsey wegen ihrer Vorsorgeuntersuchung zum Kinderarzt fahren. Ich war nicht hier. Ich war nicht einmal hier.«
»Du hättest nichts ändern können.«
»Vielleicht ja doch.« Mit grimmigem Blick schob sie sich von ihm weg. »Wie bekam er sie nur zu fassen? Ich habe ein Dutzend verschiedener Geschichten gehört.«
»Da bist du bei mir an der richtigen Stelle. Wahrheit oder Genauigkeit, was von beiden willst du?«
»Beides.«
»Das eine ist nicht dasselbe wie das andere, Fran. Du bist jetzt lange genug im Geschäft. Genaues wissen wir nicht. Sie ging früh von der Arbeit, ging auf den Parkplatz, wo ihr Auto und ihr Fahrer warten sollten. Jetzt ist sie weg, und ihr Fahrer scheint sich ebenfalls in Luft aufgelöst zu haben.«
Sie mochte weder die kühle Kontrolle seiner Stimme noch das arbeitsame Surren des Computers. »Was ist denn die Wahrheit, Finn? Warum sagst du mir nicht, was die Wahrheit ist?«
»Die Wahrheit ist, daß wer auch immer ihr diese Briefe geschickt hat, wer auch immer Lew McNeil, Angela und Pike auf dem Gewissen hat, Deanna in seiner Gewalt hat. Sie haben eine Suchmeldung für sie, für O’Malley und für den Wagen draußen.«
»Tim war das bestimmt nicht. Er könnte das nicht tun.«
»Warum?« Das einzelne Wort war wie eine Kugel. »Weil du ihn kennst? Weil er Teil von Deannas großer Familie ist? Vergiß es. Natürlich hätte er das tun können.« Finn setzte sich hin, schlürfte seinen Kaffee. Wie ein samtener Blitz schoß der Schock von Koffein und Whiskey durch seine Adern. »Aber ich denke nicht, daß er es war. Bis er auftaucht, kann ich mir dessen aber nicht sicher sein. Wenn er wieder auftaucht.«
»Warum sollte er denn nicht mehr auftauchen?« fragte Fran. »Er hat für Dee zwei Jahre gearbeitet und nicht einen einzigen Tag gefehlt.«
»Er war ja auch noch nie tot, nicht wahr?« Er fluchte auf sie und auf sich selbst, als ihr alles Blut aus dem Gesicht wich. Er stand auf, goß ihr einen Whiskey ein. »Tut mir leid, Fran. Ich bin im Moment nicht ganz bei Verstand.«
»Wie kannst du hier drin sitzen und solche Dinge sagen? Wie kannst du an Arbeit denken, wenn Dee irgendwo da draußen ist. Das ist nicht irgendeine internationale Krise, über die du berichtest, verdammt noch mal, wo du der standhafte, unerschütterliche Journalist bist. Hier geht es um Dee.«
Er vergrub seine unnützen Hände in den Hosentaschen. »Wenn irgend etwas wichtig und von ganz zentraler Bedeutung
ist, wenn von der Antwort alles abhängt,
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