Toedliche Luegen
wegen dieser … Dinge, an die ich mich erinnere, geändert haben … ich würde es verstehen. Wirklich. Ich nehme es dir nicht übel, wenn du Reißaus nimmst. Vielleicht weiß ich noch nicht alles. Vielleicht kommt es noch schlimmer, viel schlimmer, als wir uns überhaupt vorstellen können, das wissen wir nicht. Deswegen … du solltest nicht aus Mitleid …“
„ Jetzt wirst du beleidigend“, raunzte sie. „Du kannst mir meine Gefühle nicht vorschreiben. Ich versuche auch nicht, sie unter Kontrolle zu halten, so wie du das tust. Es schmerzt mich, was mit dir geschehen ist. Ich möchte dich trösten, du hast Recht. Allerdings ist das nicht der Grund, warum ich mit dir zusammen sein will.“
„Ich hatte immer das G efühl, dass sich mein Herz nach jemandem sehnt, der mir Geborgenheit und Frieden schenkt. Doch dass ausgerechnet die Tochter von Pierre es sein würde, die aus mir einen Menschen macht, haut mich noch immer völlig um. Ich war darauf nicht vorbereitet, ich wollte es nicht und deswegen habe ich mit allen Mitteln versucht, dich auf Distanz zu halten.“ Er zog sie dichter an sich. „Ich brauche dich.“
„D u hast mich.“
„ Oh nein, ich hasse dich schon lange nicht mehr.“
Beate berichtigte ihn nicht , sondern strich ihm das zerzauste Haar aus dem Gesicht. Er sah vollkommen erschöpft aus und dennoch irgendwie … erleichtert. Ob es ihm von nun an leichter fallen würde, um Hilfe zu bitten? Jetzt, da er wusste, wie sie auf seine Überraschungen reagierte? Sie bedeckte seine Wange mit leichten, zärtlichen Küssen.
„ Seit wann kannst du dich erinnern? Weißt du, wer dich entführt hat? Kennst du die Männer?“
„Nein. Nein, ich kann sie nicht sehen. Ich höre ihre Stimmen, widerliche, drohende Stimmen, die von irgendwelchen Mustern reden , von hübschen Mustern auf der Haut. Ich erinnere mich an den metallischen Geschmack von Blut in meinem Mund, Blut und … und … dann rieche ich Schnaps und Schweiß und …“
Immer hastiger und undeutlicher sprudelten die Worte über seine Lippen , bis sie schließlich an der grausamen Erinnerung erstickten. Seine Brust hob und senkte sich in rasendem Tempo, trotzdem bekam er nicht ausreichend Luft. Erst nachdem Beate ihre Hand auf seine Brust legte und sie leise auf ihn einredete, zärtliche Worte flüsterte, wie sie es mit einem kleinen Kind tun würde, beruhigte er sich etwas.
„Ist schon gut, Alain. Du musst dich nicht aufregen. Jetzt wird alles gut.“
Nur zu gern wollte sie daran glauben. Sie zog ihn näher an sich und schloss die Augen. Ewig so liegen können, diesen Mann an der Seite spüren, seinen Atem und den Duft seiner Haut aufnehmen. Beate lächelte innerlich voll Dankbarkeit. Es würde alles gut werden.
Einmal mehr in ihrem Leben sollte sie sich verrechnet haben.
28. Kapitel
„Aaah. Was ist denn das?“ Alain verdrehte genüsslich die Augen und hob sein Gesäß leicht an. Mit dem Daumen der linken Hand deutete er nach unten. „Willst du nicht mal nachsehen?“
Mit Kennerblick schob Beate ihre Finger unter Alain und fauchte im nächsten Moment entrüstet: „Mein Brief! Oh Mann, du hast meinen Brief zermatscht! Du Widerling! Unverschämter Flegel , dein Benehmen ist wirklich unter aller Sau!“ Sie hüstelte bemüht hektisch und gestattete sich ein allerliebstes Paar geröteter Ohrenspitzen. Das war ihr bloß so herausgerutscht und sie erstickte fast an ihren eigenen Worten. Hoffentlich machten Alains Deutschkenntnisse wenigstens vor ihrem beeindruckenden Repertoire an Schimpfwörtern Halt.
„Von wem ist er?“ Lachend zog er den Umschlag aus ihrer Hand und suchte den Brief nach einem Absender ab. Viel mehr noch als Neugier hörte Beate Eifersucht in seiner Stimme.
„Ich habe mir nicht einmal die Zeit genommen , ihn zu öffnen. Grundgütiger, so etwas kam in meinem früheren Leben nie vor. Wie tief bin ich bloß gesunken!“
„Liegt vielleicht am Alter.“
„Schließ von dir nicht auf andere. Daran haben vielmehr diese zwielichtigen Gestalten Schuld, von denen ich hier umgeben bin. Erst hat mich Pierre in Beschlag genommen und nun hältst du mich mit äußerst zweifelhaften Vergnügungen von der Arbeit ab. Ich wollte heute eigentlich noch meine Taschen auspacken, duschen und dann ins Bett – alleine“, betonte sie das letzte Wort in einem vorwurfsvollen Ton, „um mir in Ruhe den Brief zu Gemüte führen und mich für den morgigen Arbeitsbeginn fit zu machen.“
„ Ich werde dir nicht im Wege stehen. Tu
Weitere Kostenlose Bücher