Toedliche Luegen
komm schon“, wiederholte er ruhig und winkte sie mit einem Finger näher.
Zögernd setzte sie sich auf den Bettrand. Bevor sie wieder in ihre Hose schlüpfen konnte, hatte er sie an den Oberarmen gefasst und neben sich auf das Kissen gezogen.
„ Du bist etwas derart Außergewöhnliches, Einzigartiges, dass ich Angst habe, deine … deine Aufmerksamkeit und …“, er hielt einen Moment inne und die nächsten Worte klangen wie eine schüchterne Anfrage, „deine Zuneigung nicht verdient zu haben.“
„Überlass die se Entscheidung mir“, murrte sie, nach wie vor leicht angesäuert.
„Ich verdiene dich nicht.“
„Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung.“
Verwirrt blickte er auf. „ En français, s'il te plaît .“
Als er ver gebens auf eine Erklärung wartete, fuhr er mit schmeichelnder Stimme fort: „Sollte mich jemand retten und auf den Pfad der Tugend zurückführen können, dann bist du das, Bea.“
„Rede kein Blech. Was willst du denn auf dem Pfad der Tugend?“
„Wie bitte?“ Seine Hand spielte mit ihren zerzausten Haaren. „Ich befürchte, wir re den aneinander vorbei.“
„Nein. Wir verstehen uns sehr gut.“
Das Bild ihrer ersten Begegnung an Alains Krankenbett stand so deutlich vor ihren Augen, als wäre es erst gestern gewesen. Zähnefletschend und mit gekreuzten Klingen hatten sie sich gegenübergestanden und wären sich am liebsten an die Gurgel gesprungen. Wie durch ein Wunder war dann alles ganz anders gekommen.
„Trotzdem habe ich selbst heute noch mitunter Probleme, dich zu verstehen. Und eines Tages …“
Irgendwann – und selbst wenn es Jahre dauerte – würde sie all seine Schutzmauern Stein für Stein abgetragen haben und bis zu seinem Innersten vordringen können. Er würde ihr sein uneingeschränktes Vertrauen schenken und noch viel mehr.
„Tja, wie es aussieht, wirst du mich auch in absehbarer Zeit nicht los.“
„Es ist genauso dein Haus und ich will dich nicht loswerden. Nie wieder, Bea“, hauchte Alain ihr ins Ohr.
Sie seufzte zufrieden und rückte dichter an seine Seite.
Nein, zur Hölle und wieder zurück! Ich will nicht an morgen denken. Ich will diesen Mann. Er macht mich verrückt. Und, verdammt noch mal, pfeif auf Vertrauen! Was morgen ist, interessiert mich nicht! Ich weiß ja nicht einmal, ob es ein Morgen für mich geben wird. Sieh dir deine Freundin Catherine an, die bloß schnell eine Besorgung machen wollte und nicht mehr nach Hause kam! Denk an das Desaster auf der „Fritz Stoltz“ und die vielen Träume, die in einer einzigen Nacht zerstört wurden! Vergiss nicht Pierres Hass auf seinen Bruder! Wie schnell ist manchmal alles vorbei – eine Begegnung, ein Tag, ein Leben. Und ich lebe heute.
Ihre Hand tastete über die bogenförmige Narbe auf Alains rechter Kör perseite. Sie begann irgendwo am Unterbauch, verdeckt von seiner Hose, und endete in Höhe seines Bauchnabels. Sie hatte sich informiert, die Transplantationsnarbe musste etwa dreißig Zentimeter lang sein.
„Dahinter versteckt sich also das Objekt heller Aufregung um dich. Sieht gewaltig aus.“
„Mmmh.“
„Wie geht es dir damit?“
„Hm.“
„Gibt es mit Spenderorganen nicht manchmal Probleme?“
„Manchmal.“
„In der Hälfte aller Fälle kommt es zu Abstoßungsreaktionen, habe ich gelesen.“
„Wenn du das so gelesen hast, wird es wohl stimmen.“
„Darf ich dich etwas dazu fragen?“
„W eshalb?“
Beate stöhnte innerlich auf. Verdammt noch mal, er will dich nicht in sein Leben lassen. Finde dich endlich damit ab! Wie oft willst du es noch versuchen? Gebt euch eure Körper, aber lasst tunlichst die Finger davon, bis zur Seele des anderen vordringen zu wollen.
Zärtlich berührte sie ihn. Sie liebte es, die festen Muskeln unter seiner Haut zu spüren und die Kraft zu ahnen, die in ihm steckte. Ihre Finger folgten der schwarzen Haarlinie, die mit der Subtilität einer blinkenden Leuchtreklame auf den Ort der Gefahr hinwies. Am Bund seiner Hose machte ihre Hand für einen flüchtigen Augenblick Halt auf ihrer Erkundungsreise. Den oberen Knopf hatte Alain noch nicht wieder geschlossen, seit er sich das Hemd vom Körper gerissen hatte. Im Zeitlupentempo zog sie den Reißverschluss nach unten und ließ ihre Finger in seiner Hose verschwinden.
Die unnatürliche Ruhe , während sie sich voran tastete, machte sie stutzig. Es verunsicherte sie, dass Alain nicht die geringste Reaktion auf ihre Berührung zeigte. Im Gegenteil, er atmete langsam und
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