Toedliche Luegen
Tages mit mir daran arbeiten zu können. Und da saßen wir wie zwei alte Freunde bis spät in die Nacht und sichteten das von ihm gesammelte Material.
Und so ist es heute noch.
Oh bitte, ma chère , schütteln Sie nicht den Kopf. Jean ist bei mir doch bloß deshalb eingezogen, weil er am anderen Ende der Stadt wohnt und sich den stundenlangen Anfahrtsweg zur Rue Gwan-Valla sparen wollte. Na gut, ich gebe es zu, denn Sie haben mich längst durchschaut: Wir genießen selbstverständlich in vollen Zügen diese gemeinsame Zeit, die wir im Moment haben.
Aber nun endlich zu meinen Neuigkeiten bezüglich Sebastian Ferrard:
Jean stieß bei seinen Nachforschungen auf ein Ehepaar, das vor zwei Jahren sein einziges Kind verloren hatte. Der Junge war beim Klettern von einem Baum abgerutscht und auf Betonboden geschlagen – mit dem Schädel voran. Die Ärzte erklärten ihn für hirntot, worauf die Eltern des Kleinen baten, die Maschinen abzustellen. Als sie ihren Sohn ein letztes Mal sehen wollten, um von ihm Abschied zu nehmen, war er nicht mehr da. Weg! Spurlos verschwunden! Keiner gab dem verzweifelten Paar eine Erklärung. Stattdessen vertröstete man sie mit fadenscheinigen Begründungen auf den nächsten Tag.
Die Eltern indes ließen keine Ruhe. Dann fanden sie eine Schwester, die beobachtet hatte, wie der Junge in eine andere Klinik verlegt worden war.
In die Klinik St. George!
Seit wann verlegt man tote Patienten von einem Krankenhaus ins andere? Diese Anordnung der Klinikleitung versteht man erst, wenn man weiß, dass am gleichen Tag bei einem Mädchen, nur wenig älter als der vom Baum gestürzte Junge, eine Dreifachtransplantation gelang – im St. George!
Beate, Sie erinnern sich an den Unfall, von dem ich Ihnen erzählte, den der Justizbeamte verursachte und bei dem es einen Toten und drei Schwerverletzte gab? Ich gehe davon aus, dass ich Ihnen nicht mehr erklären muss.
Die Eltern des Jungen wollten, da sie bei der Polizei kein Gehör fanden, die unsauberen Praktiken des Krankenhauses wenigstens der Presse zugänglich machen – die allerdings ebenso wenig Interesse an dieser Story zeigte. Lediglich Jean, mein mutiger Jean mit seinem untrüglichen Gespür für Unrecht und Korruption verfolgte die Sache weiter, nachdem er Wind davon bekommen hatte.
Er war es im Übrigen auch, der die Verbindungen von Sebastian Ferrard ins Ausland unter die Lupe nahm und dabei Erstaunliche s entdeckte. So fand er heraus – einer seiner Freunde ist Techniker in einer Vermittlungsstelle der France Telecom –, dass während des letzten Jahres mehr als zwei Dutzend Telefonate von seinem Klinikanschluss aus nach Hamburg geführt wurden. Ferrard hat weder Familie noch Studienkollegen oder Freunde in Deutschland! Es ist also durchaus möglich, dass dort einer der Lieferanten von Doktor Ferrard seinen Sitz hat.“
Abrupt hielt Beate mit Lesen inne und schrie auf: „Alain, das ist die Verbindung! Hamburg! Verdammt, warum habe ich nicht gleich daran gedacht? Hamburg, Tornesch, jetzt erinnere ich mich. Germeaux sagte am Telefon irgendetwas von Tornesch. Ich habe die ganze Zeit überlegt, woher ich diesen Namen kenne. Es fiel mir nicht ein und dann hatte ich es einfach vergessen. Dabei wohnt doch Gritta in Tornesch! Eine Bekannte aus Rostock, die das Studium abgebrochen hat, um der Liebe zu folgen. Wir müssen bloß nachsehen, ob es dort einen Flugplatz gibt. Wenn Pierre damals nach Tornesch geflogen ist, sollte es ein leichtes sein, das nachzuprüfen. Auf einem Flugplatz wird dokumentiert, wer wann und mit welcher Destination startet und landet.“
Alain starrte Beate einen Moment lang an, als sei sie übergeschnappt.
Di e dagegen schien es nicht zu bemerken. Ihre Wangen glühten vor Eifer und ihre grünen Augen funkelten begeistert. „Erinnerst du dich denn nicht, dass Germeaux im Oktober Hals über Kopf nach Tornesch geflogen ist und du noch am gleichen Tag operiert worden bist? Das kannst du nicht vergessen haben! Er hat damals auch angekündigt, Ferrard würde dich innerhalb einer Woche transplantieren. Wie konnte er sicher sein, in so kurzer Zeit ein passendes Organ für dich aufzutreiben? Soll ich’s dir sagen? Weil er es in Auftrag gegeben hat! In Hamburg. Speziell für dich. Irgendjemand hat ganz gezielt nach einer Niere für dich gesucht – auf welchem Markt auch immer. Ich muss Renée anrufen!“
Sie wollte gerade aus dem Bett springen, um sich ans Telefon zu hängen, als Alain sie grob am Arm zurückhielt. Sie
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