Toedliche Luegen
Und deswegen habe ich ihn …“
„ Schluss damit!“ Durlutte drückte ihm einen zusammengefalteten Zettel in die Hand und knurrte: „Bring sie zu mir. Und zwar ein bisschen flott!“
Wie ein geprügelter Hund schlich Simon Bernard davon, während Durlutte ihm noch einen strafenden Blick hinterher schickte. Gleichzeitig fasste er Alain a n seinem unversehrten Arm, um ihm behutsam auf die Füße zu helfen. „Ist es so, wie er sagte?“
Alain schwankte bedrohlich vor und zurück, bis er sich Halt suchend an die Wand lehnte. Er hatte die Zähne vor Schmerzen so fest zusammengebissen, dass die Sehnen an seinem Hals deutlich hervortraten, und schüttelte den Kopf.
Gequält presste er hervor: „Ich … ich brauche einen Arzt. Ich habe nur … nach einem Arzt gefragt.“ Wie zum Beweis hob er den zitternden Arm an. Seine rechte Hand umfasste den linken Unterarm, um die zerschlagene Hand zu stützen.
„ Tut mir leid, das sieht wirklich nicht gut aus. Gleich. Gleich, Monsieur Germeaux, lasse ich Sie ins Krankenhaus fahren. Ich habe bloß noch eine einzige Frage.“ Der Polizeibeamte deutete durch die geöffnete Bürotür auf den Besucherstuhl vor seinem Schreibtisch. „Nehmen Sie einen Moment Platz. Möchten Sie auch einen Kaffee?“
Ohne eine Erwiderung abzuwarten, stellte Durlutte zwei Tassen auf den Tisch und füllte sie mit frischem Kaffee aus der Thermoskanne. „Diese Frage zählt natürlich nicht.“
Dann setzte er sich Alain gegenüber und erkundigte sich ruhig und in einem fast beiläufigen Ton: „Warum haben Sie gelogen?“
Alains Kopf flog nach oben. „Ich … ich verstehe nicht“, antwortete er und verfluchte gleichzeitig die Unsicherheit in seinem Ton, die dem Oberkommissar bestimmt nicht entgangen war.
„ Muss ich auf Deutsch fragen? Was war das für ein Telefonat, das Sie im Haus von Madame Lubeniqi führten?“
„Ein Telefonat?“
„Aber, aber Monsieur Germeaux, Sie werden sich doch daran erinnern.“ Tadelnd schüttelte Durlutte den Kopf mit dem spärlichen Haarwuchs, wobei seine Stimme nichts von ihrer gleichbleibenden Freundlichkeit einbüßte. „Sie haben Lubeniqis Telefon benutzt. Richtig? In ihrem Arbeitszimmer.“
„Es lag … auf dem Boden. Im Flur.“
„Die Spurensicherung hat Ihre Fingerabdrücke darauf gefunden. Und da Sie im Besitz eines funktionierenden Handys sind, ist anzunehmen, dass Sie nicht selber angerufen, sondern vielmehr einen Anruf entgegengenommen haben. Auch richtig?“
„Ja.“
„ Dann werden Sie sich denken können, wie brennend es mich interessiert, wer der Anrufer war.“
„Ich … ich weiß nicht. Ich weiß es nicht!“
„W ar es ein Mann oder eine Frau?“ Das erste Mal klang Durluttes Stimme eine Spur schärfer, womit er unmissverständlich klarmachte, dass er sich nicht zum Narren halten ließ.
Alain fühlte sich in die Enge getrieben. Sein Blick irrte umher, als könnte er die Antwort auf all die Fragen, die auf ihn selbst einstürmten, irgendwo an der Wand des nüchternen Büros finden. Er hatte die Augen halb geschlossen, um sich die Details des verhängnisvollen Nachmittags ins Gedächtnis zurückzurufen.
„Es war ein Amerikaner. Ich bin ziemlich sicher, denn er sprach mit einem fürchterlichen Akzent. Er verlangte, ich solle verschwinden und nicht zur Polizei gehen, weil sie sonst mit Beate …“ Alain riss die Augen auf, aus denen blankes Entsetzen schrie. „Sie … sie wollen … Beate!“
Durlutte legte seine Hand auf Alains rechten Arm . „Nur ruhig. Bernard ist bereits unterwegs zu ihr. Es wird ihr nichts passieren, keine Angst.“
Nachdenklich nahm der Kriminalist einen Schluck Kaffee und kramte währenddessen in irgendwelchen Papieren auf seinem Schreibtisch. Er blickte auch nicht auf, als er Alain fragte: „Sie erhielten den Anruf, bevor Sie Jean Chasseur auf den Rücken drehten?“
„Ja. Ich bin zum … ich wollte ans Fenster, um zu sehen, ob ich … Der Amerikaner muss mich von der Straße aus beobachtet haben, als ich das Haus betrat. Da stolperte ich über die … Frau, Renée Lubeniqi. Aber Chasseur … Ich hoffte, er lebt noch, deswegen habe ich ihn umgedreht und …“
„Und?“
Alain schüttelte sich unwillkürlich bei der Erinnerung an den grausigen Anblick, der sich ihm geboten hatte. Inzwischen hatte er das Gefühl, zu keinem klaren Gedanken mehr fähig zu sein. Das Bild der ermordeten Journalisten senkte sich wie ein Felsblock auf seine Brust, machte ihm das Atmen schwer und verdrängte alles andere
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