Toedliche Luegen
gehen und ihn verstehen würde! Welcher Amerikaner spricht schon einen Franzosen auf Deutsch an, wenn er sich in Frankreich aufhält? Er hat mich erwartet. Mich und niemand anderen.“
„Das begreife ich nicht.“
Verzweifelt murmelte Alain: „Ich auch nicht. Überhaupt nichts.“
Er saß reglos in seinem Sessel und stierte auf das Glas Wasser auf dem Couchtisch. Er hatte sein Gesicht in der rechten Hand vergraben und fühlte sich wie erschlagen, ausgebrannt, am Ende seiner Kräfte. Doch die drohenden Worte des Anrufers wollten ihm nicht aus dem Sinn.
Beate unterbrach ihre Wanderung und blieb mit verschränkten Armen vor dem Fenster stehen. „Woher hat er gewusst, dass du gerade zu dieser Zeit bei Renée sein würdest? Glaubst du, sie haben ihr Telefon abgehört? Oder unseres?“
„ Keine Ahnung. Von mir jedenfalls wussten sie es nicht“, erwiderte er lustlos und mit einer Spur Trotz in der Stimme.
„ Und ich habe lediglich mit dir darüber geredet. Mit niemand sonst.“
Er trank das Glas leer. Das Grübeln brachte ohnehin nichts. Außerdem schmerzte seine eingegipste Hand. Und ihm war kotzübel, was nicht allein die Nachwirkung der Narkose war, sondern im gleichen Maße dem Umstand geschuldet war, dass er sich vor einer halben Stunde eine Handvoll seiner Tabletten auf nüchternen Magen in den Mund geschoben hatte. Zu spät war ihm bewusst geworden, seit dem Mittag weder etwas gegessen noch getrunken zu haben.
Ja , und? Was machte das schon? Es war ihm vollkommen gleichgültig. Er wusste bloß, dass er endlich in sein Bett wollte. Allerdings befürchtete er, selbst dort keine Ruhe zu finden, also ließ er es bleiben.
„Stojkow. Der Amerikaner. Meine Niere. Es muss einen Zusammenhang geben und Renée und Jean haben es herausgefunden. Und dann ist in Hamburg irgendetwas fruchtbar schiefgelaufen. Der Amerikaner folgte ihnen bis nach Paris und hat sie getötet. Ich will wissen, wer dieser Stojkow ist. Ob er der Organspender ist? Oder vielleicht sogar einer der Organhändler.“
„Alain, es ist Aufgabe der Polizei , die Mörder zu fassen. Sie werden sich um diesen Stojkow und den Mörder von Renée und Jean kümmern.“
„Durlutte weiß nichts.“
„Das wäre auch ein bisschen viel verlangt, meinst du nicht? Gib ihm wenigstens ein paar Tage Zeit für seine Ermittlungen.“
„Er hat keine Ahnung von der Sache in Hamburg.“
3 1. Kapitel
Beate wirbelte herum und starrte ihn mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen an. „Was soll das heißen: Er hat keine Ahnung?!“ Auch in der Wiederholung ergab es nicht mehr Sinn als zuvor. „Du hast ihm … Alain! Wie konntest du …“
„Was ? Was hast du denn?“, belferte er ungehalten. „Bevor er starb, sagte Jean Chasseur dieses eine Wort: Hamburg. Ja, und? Hamburg, sonst nichts! Ich habe keine Ahnung, was er damit meinte. Vielleicht Hamburger bei McDonald’s . Vielleicht Schiffe, Meer und Sonne. Robinson auf seiner einsamen Insel.“
„ Halt endlich die Klappe! Deine Witze waren wirklich schon mal besser. Du musst Durlutte sagen, was du weißt!“
„Himmelherrgott! Ich … weiß … nichts!“, b rüllte er ihr jedes Wort einzeln ins Gesicht.
„Dann werde eben ich zu Durlutte gehen und ihm von Renées Aufenthalt in Hamburg erzählen. Er muss es erfahren.“
„Tu das. Von mir aus renne zu ihm.“ Alain l achte spöttisch. „Nun geh schon! Ich werde mich hüten, dir in deine Entscheidungen hineinzureden, weißt du doch ohnehin alles besser.“
„ Das hat nichts mit Besserwisserei zu tun! Du darfst ihm diese Informationen nicht vorenthalten. Hast du der Polizei etwa auch anderes verschwiegen?“
„Sie wissen nicht, dass Jean Chasseur noch lebte und mir diesen Namen, Stojkow, nannte.“
Im Zeitlupentempo beugte sie sich zu Alain vor. Völlig aus der Fassung gebracht starrte sie ihn an und flüsterte: „Warum? Was soll das, Alain? Was hast du dir dabei bloß gedacht?“
„Ich habe keine Ahnung. Ich kann mir nicht erklären, warum ich das getan habe. Es ist alles dermaßen schnell gegangen. Ich konnte nicht darüber nachdenken. Vielleicht war es die Angst vor der Frage, wieso Jean vor seinem Tod von meiner Niere sprach. Meine Niere. Sein Tod. Ganz einfach.“
Alain ertrug Beates bohrenden Blick nicht länger und schlug die Augen nieder. Er r ieb sich zerstreut die Schläfe. „Du musst mir helfen, Bea. Da … da war noch etwas.“
Einen langen Augenblick schwiegen sie, bis die Stille in den Ohren schmerzte. Beate ging vor Alain in
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