Toedliche Luegen
Pistolenknauf auf Alains linke Hand. Der Schlag überraschte ihn dermaßen, dass er nicht sofort den Schmerz spürte. Das Handy schlitterte über den Boden. Jemand stieß ihm unsanft den Lauf einer Maschinenpistole in den Rücken. Er stolperte nach vorn und rempelte dabei einen der Männer an, der mit einem empörten Grunzen die langen Haare packte, Alains Kopf daran nach hinten riss und ihm hart ins Gesicht schlug.
Dann hörte er hinter seinem Rücken das Klicken von Handschellen.
30. Kapitel
Bis in die späte Nacht hinein war Alain vernommen worden. Jetzt kauerte er völlig erschöpft und in sich zusammengesunken auf einem unbequemen Holzstuhl, den Blick starr geradeaus gerichtet, unbeweglich und noch immer unfähig zu begreifen, was an diesem Tag geschehen war. Vor ihm auf dem Gang schlenderte ein junger Polizist auf und ab. Er war ihm bereits im Haus von Madame Lubeniqi begegnet. Das Greenhorn hatte ihm die Handschellen angelegt und dabei gefeixt, als könnte ihm nichts auf dieser Welt größeres Vergnügen bereiten. Mit überlegener Schadenfreude auf dem pickeligen Gesicht grinste er Alain auch jetzt wieder an und spielte dabei lässig mit seiner Dienstpistole.
Alain musste sich mit Gewalt zurückhalten , das provokante Getue zu ignorieren, traute er sich doch inzwischen selbst nicht mehr. Das Warten zerrte an seinen Nerven. Der Leiter der Mordkommission, Kriminaloberkommissar Durlutte, hatte ihn vor einer halben Ewigkeit gebeten, vor seinem Büro Platz zu nehmen und sich seitdem nicht mehr blicken lassen. Durch die geschlossene Tür hörte er ihn aufgeregt und mit heiserer Stimme telefonieren. Was wollte der denn noch von ihm? Er hatte wieder und wieder geschildert, wieso er ausgerechnet heute zu Madame Lubeniqi gefahren war. Warum reichte dem Flic diese Aussage nicht? Er war kein Mörder. Das nachzuweisen sollte diesen Spezialisten wirklich nicht schwerfallen.
Ob es nicht nach einem merkwürdigen Zufall aussah, wenn er der Einladung einer Fremden gerade an dem Tag folgte, an dem sie ermordet wurde? Bei dieser Frage hatte sich Durlutte weiter nach vorne über seinen Schreibtisch gebeugt und ihm eindringlich in die Augen geschaut.
Alain war erschrocken zurückgewichen, überr umpelt von Durluttes Gedankengängen, denen er nicht sofort folgen konnte. Wollte er ihm damit sagen, dass er weder an Zufälle, noch seiner Aussage glaubte? Was sonst sollte er ihm erzählen, das ihn überzeugte? Dass auch er nicht an Zufälle glaubte? Dass ihn der unbekannte Anrufer nicht bloß erkannt, sondern obendrein erwartet hatte und demzufolge gewusst haben musste, dass er heute zu Renée Lubeniqi eingeladen war?
Woher? W oher kannte ihn der Amerikaner?
Und was, zur Hölle, war das für ein Video, das er erwähnt hatte?
Nervös trommelten Alains Finger auf die Armlehne des Stuhles. Erst jetzt spürte er wieder die Schmerzen in seiner linken Hand. Der Handrücken war dick angeschwollen und färbte sich langsam von dunkelrot nach blau.
„Ich glaube, Sie haben mir die Hand gebrochen. Könnte ich mich nicht erst einmal von einem Arzt behandeln lassen? Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, nicht wegzulaufen.“
„Pah! Ehrenwort, dass ich nicht lache! Was ist das Ehrenwort eines Mörders schon wert?“
„ Ich bin kein Mörder, wie oft soll ich das noch wiederholen?“ Seine Stimme klang müde, resigniert. „Lassen Sie mich mit Ihrem Chef reden. Ich habe starke Schmerzen. Außerdem wird es Zeit für meine Medikamente. Immunsuppressiva. Ich bin transplantiert. Der Oberkommissar kann die Vernehmung sicherlich morgen weiterführen.“
Simon Bernards Gesicht nahm groteske Züge an, als er höhnisch auflachte. „Medikamente? Transplantiert? Bist ein kleiner Witzbold, was? Und überhaupt, wie kommst du auf die Idee, ich hätte dir die Hand gebrochen? Das glaub ich doch im Leben nicht. Ich könnte keiner Fliege etwas zuleide tun. Zeig her, das muss ich mir selbst ansehen.“
Ehe Alain reagieren konnte, hatte ihm der Polizist den rechten Arm auf den Rücken gerissen und brutal nach oben gedreht. Alain schrie vor Schmerz auf und rutschte kopfüber vom Stuhl. Als er sich mit der linken Hand abzustützen versuchte, trat Simon Bernard mit aller Kraft zu.
„Bernard!“ Die schneidende Stimme des Kriminaloberkommissars Durlutte, der just in diesem Moment seinen Kopf aus dem Büro steckte, ließ den Polizisten erschrocken herumfahren.
Mit hochrotem Gesicht schoss Simon Bernard zurück. „Das war Notwehr! Er … er wollte abhauen.
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