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Toedliche Luegen

Toedliche Luegen

Titel: Toedliche Luegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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nicht irre – Und wann habe ich das je getan? –, mit dem Ergebnis, dass wir beide die Scheidungspapiere unterschrieben haben und nicht mehr darüber reden wollten.“
    „ Bloß dir zuliebe habe ich eingewilligt und nicht, weil ich es wollte.“ Den silberfarbenen Kugelschreiber in der Hand sah Lucien Boyer die Psychologin verlegen an. „Aber meinst du nicht auch …“
    „Nein!“
    „Nun, dann hast du vermutlich Recht.“
    „Natürlich habe ich Recht!“
    Er nickte ergeben und räusperte sich. „Ich werde versuchen, es nicht mehr zu vergessen. Ich werde es nicht schaffen, verdammt!“
    Mit einem Stoßseufzer gen Himmel tippte Isabelle Didier auf das noch immer jungfräuliche Blatt Papier. „Konzentriere dich. Hast du nicht selbst gesagt, wir hätten keine Zeit mehr?“
    „Also, gut. Was war das erste, was dir aufgefallen ist, nachdem du seine Zelle betreten hast?“
    „Furcht“, kam es wie aus der Pistole geschossen, „ohne jeden Zweifel panische Angst.“
    „Wovor?“
    Isabelle lachte bitter auf. „Panik vor allem und vor jedem.“
    „Nein! Nein, Isa, denke nach, das ist keine Antwort. Du musst dir schon ein bisschen mehr Mühe geben.“
    „Ich habe den Raum betreten und Germeaux verkroch sich in der dunkelsten Ecke. Er hatte Angst vor mir, Angst vor körperlicher Nähe, vor einer Berührung.“
    „Inzwischen nicht mehr?“
    „Nein. Ich glaube … das heißt, ich hoffe , er vertraut mir. Ein wenig zumindest. Aber weißt du, was eigenartig ist?“
    „ Nein, doch du wirst es mir gleich sagen.“
    „ Ihn packt das helle Entsetzen, wenn ich zum Beispiel deinen Namen erwähne. Was hältst du davon?“
    „ Meinen Namen? Wieso?“ Nicht bloß sein Tonfall drückte Zweifel an dieser Behauptung aus, sondern genauso seine Miene mit der in Falten gelegten Stirn. „Er kennt mich ja gar nicht.“
    „Eben deswegen. Ein Fremder. Ein Mann.“
    „Halt mal! Soll das heißen, er hat ein Problem? Mit Männern?“
    „Sieht so aus. Möglicherweise hat er etwas gegen Kriminalisten, seit ihm einer die Hand gebrochen hat, trotzdem glaube ich das eher weniger. Und dann das Drama, als ich ihm den Vorschlag machte, seine Zelle zu verlassen, um zu duschen.“
    „Stopp, nicht so schnell! V ielleicht ist er extrem wasserscheu oder er hat eine Abneigung gegen das Meer, gegen Schiffe oder Seemänner.“
    Isabelle wiegte unschlüssig den Kopf hin und her und brummte: „Eher dagegen , sich ausziehen zu müssen.“
    Das Fragezeichen, das sich überdeutlich auf Boyers Gesicht abzeichnete, entlockte Isabelle einen freudlosen Lacher. „Als er das erste Mal duschen war, musste ich bei ihm bleiben.“
    „W -waaas? Du warst mit ihm …“ Boyer schnappte krebsrot im Gesicht nach Luft. Nun kannte er diese Frau schon so viele Jahre und sie schaffte es immer wieder aufs Neue, ihn zu überraschen.
    „Nicht mit ihm!“ Sie gab ihm einen freundschaftlichen Klaps auf den Arm.
    „Ich kann mich genau erinnern, dass du mir in all den Jahren unserer Ehe ein einziges Mal den Rücken in der Badewanne gewaschen hast. Und das auch bloß äußerst widerwillig, obwohl ich nach dieser blöden Schussverletzung vollkommen hilflos war.“ Lucien Boyer hob schelmisch die Augenbrauen. „Du legst ein beängstigendes Tempo vor und ich mache mir inzwischen echte Sorgen, Isa. Ist er nicht – Also wirklich! – ein bisschen jung für dich?“
    Sie winkte ungerührt ab und wurde ernst. „Er trägt einige furchtbare Narben auf seinem Körper. Und zwar richtig furchtbare.“
    „ Er ist transplantiert.“
    „Ich meinte eher die Spuren einer Misshandlung.“
    Mit Schaudern rief sie sich das Bild der blassrosafarbenen Streifen auf Alains Haut ins Gedächtnis zurück. Lucien Boyer hatte bemerkt, wie sie zusammengezuckt war und blickte seiner Frau abwartend in die Augen. Was hatte sie gesehen?
    „Ein Hakenkreuz auf seiner Bauchdecke. Irgendjemand hat ihm die Haut abgezogen und damit eine bleibende Erinnerung an vermutlich unerträgliche Schmerzen hinterlassen.“
    „Oooh. Ein … ein Hakenkreuz? Denkst du an politisch begründete … Folter?“
    „ Das liegt nahe.“
    Die Psychologin sprang von ihrem Stuhl auf und wanderte erneut ziellos durchs Zimmer, bis sie fast gegen die Wand geprallt wäre. Sie wirbelte herum, wobei sie um Haaresbreite die völlig schuldlose Topfpflanze umgerannt hätte.
    Lucien Boyer allerdings starrte aus der Fassung gebracht an ihr vorbei. „Ein Hakenkreuz! Und ich hatte mir eingebildet, diese Zeiten hätten wir hinter uns.

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