Toedliche Luegen
Vielleicht könntest du … also, du bist nun mal nicht mehr der Jüngste und …“
„ Isa, ich weiß. Ich mache so etwas nichts das erste Mal“, rief er ihr in Erinnerung. Aus ihren unnötigen Anweisungen hörte er die Angst heraus, also wagte er, ihr ein liebevolles Lächeln zu schenken. „Ich gebe auf mich Acht, versprochen. Ich werde mir doch das Abendessen mit dir nicht durch die Lappen gehen lassen.“
3 7. Kapitel
Bereits auf Reede Brest hatte Beate mit Hauptkommissar Lucien Boyer telefoniert und ihr Kommen angekündigt. Da sich Pierre strikt weigerte, Chauffeur zu spielen, hatte sie ein Taxi zum Passagierkai bestellt und sofort nach dem Anlegen der „Bella“ das Schiff verlassen. Sehr zum Ärger ihres Vaters konnte sie es nicht erwarten, zur örtlichen Präfektur zu fahren, um Alain zu sehen.
Eine untersetzte Frau wanderte vor dem imposanten Backsteingebäude auf und ab und blickte ein ums andere Mal in Richtung Yachthafen, vermutlich Isabelle Didier, denn deren Miene erhellte sich, als sie Beate im Taxi erblickte.
Die schaute sich suchend um, während ihr das Herz bis zum Hals klopfte, weil Alain nirgends zu entdecken war. Die Psychologin kam auf sie zu, drehte sich dabei kurz um und machte eine beschwichtigende Handbewegung. Gleich darauf erschien Alain in der Tür der Polizeistation. Er sah nicht auf, sondern lehnte sich mit gesenktem Kopf an die Hauswand, die schwere Motorradjacke trotz der sommerlichen Hitze mit beiden Händen vor der Brust zusammenhaltend, als würde er frieren. Die einzige Reaktion auf Isabelle Didiers Abschiedsgruß war der schwache Versuch eines Lächelns, welches in nicht mehr als einem Zucken seiner Mundwinkel bestand, und einem schlaffen Händedruck. Mit hängenden Schultern schlurfte er zum Taxi.
Beate machte Anstalten, ihm hinterherzulaufen, doch die Psychologin hielt sie zurück. In knappen, bildhaften Worten beschrieb sie ihr die Ursache für Alains körperlichen und seelischen Zustand. Beate hielt den Atem an, während sie mit wachsendem Entsetzen Einzelheiten über die letzten Tage, die Alain in der Polizeistation verbracht hatte, und über die Ereignisse im Park erfuhr.
Warum geriet ausgerechnet er immer wieder in solch furchtbare Situationen? Das hatte er n icht verdient! Sie wusste, er konnte keiner Fliege etwas zuleide tun. Gleichwohl zog er das Unglück scheinbar magisch an.
Ihr e wetterwendische Beziehung klammerte sie dabei nicht aus.
Und plötzlich sprudelten die Worte wie ein Wasserfall über ihre Lippen. Ohne dass Isabelle Didier danach gefragt hätte, erzählte sie von seiner Entführung und den Misshandlungen, von dem Mord an den beiden Pariser Journalisten und sie ließ auch nicht den Streit vor ihrer Abreise aus.
„Mademoiselle Schenke , ich weiß nicht, in welchem Verhältnis Sie zueinander stehen, aber ich bin überzeugt, er braucht Sie in diesem Moment mehr als alles andere. Zeigen Sie ihm, was er Ihnen bedeutet. Ich habe keinen Zweifel daran, dass er versuchen wird, Sie von sich zu stoßen oder sich noch mehr abzukapseln. Er fühlt sich schuldig am Tod des Stadtstreichers. Geben Sie ihn nicht auf. Er liebt Sie und deswegen können Sie ihm am besten helfen.“
Beate war nicht einmal fähig , diesen Irrtum der Fremden auszuräumen. Sie starrte über die Straße zu dem wartenden Taxi. Alain war hinter der dunklen Scheibe nicht auszumachen.
„Hier, meine Telefonnummer. Sollte es irgendwelche Probleme geben, zögern Sie nicht – niemals! – mich anzurufen. Ich bin jederzeit bereit, Alain und Ihnen zu helfen. Und das meine ich genau so, wie ich es sage. Was er im Augenblick auf jeden Fall nötiger als einen Psychologen braucht, sind Ruhe und Sicherheit. Beate, geben Sie gut auf ihn Acht, auch wenn er es Ihnen nicht leicht machen wird.“
Mit niedergeschlagenen Augen saß Alain auf der Rückbank in Pierre Germeaux’ Wagen. In seinem Gesicht war nicht zu lesen, was in ihm vorging. Seine Hände hielt er ineinander verkrampft und dicht an seinen Körper gepresst. Er schien mit seinen Gedanken weit weg zu sein, irgendwo in der Vergangenheit, wohin ihm niemand folgen konnte. Keine drei Wochen lagen zwischen ihnen, aber wie furchtbar hatte er sich in dieser kurzen Zeit verändert! Sein Gesicht hatte alle Jugendlichkeit eingebüßt. Schmal und asketisch, mit tiefen Rändern unter den Augen wirkte er um Jahre gealtert. Die Erlebnisse hatten ihn mit Furchen gekennzeichnet und das männlich schöne Gesicht verändert.
Beate wurde den
Weitere Kostenlose Bücher