Toedliche Luegen
In dieses Hin- und Hergerissen-Sein zwischen den beiden Männer mischte sich indes mehr und mehr die Sorge um Alain, als sie vier Tage nach dem Ablegen der exklusiven Segelyacht in Brest noch immer nichts von ihm gehört hatte.
Ja, sie hatten sic h schon ziemlich blöd benommen vor ihrer Abreise. Nicht einmal voneinander verabschiedet hatten sie sich. Und dann war Alain weder über sein Telefon noch das Handy zu erreichen gewesen. Sie wollte ihm lediglich sagen, wie sehr sie ihn vermisste. Erst nach mehreren Tagen erreichte sie Juliette und musste sie zu ihrem großen Entsetzen erfahren, dass Alain nach Brest abgereist war. Ob er denn nicht bei ihr an Bord der „Bella“ sei, fragte Juliette ahnungslos und versetzte Beate damit in helle Aufregung. Irgendetwas musste passiert sein! Etwas, das sie hätte verhindern können!
Immer wieder versuchte sie , mit ihrem Vater über Alain zu sprechen, der indes wimmelte sich dieses lästige Thema ungehalten ab. „Er ist mit seinen einunddreißig Jahren alt genug, um auf sich selbst aufzupassen, meinst du nicht, Beate? Wir haben Urlaub und kümmern uns um nichts anderes als um uns, so war die Abmachung. Genieße die Ruhe und das Meer, genauso wie du es dir erträumt und auch verdient hast.“ Dabei hatte er ihr zärtlich über das vom Seewind zerzauste Haar gestrichen. „Er hat genug zu tun mit seiner Dissertation. Vielleicht ist er bei einem seiner Freunde untergekrochen, wäre doch nicht das erste Mal. Allerdings sollte uns das nicht interessieren, das ist einzig und allein seine Sache.“
„Ich würde trotzdem gerne wissen, warum er nach Brest gefahren ist. Hätte er mich nicht anrufen können? Und warum ist er noch nicht wieder daheim, nachdem er uns hier nicht angetroffen hat? Hoffentlich ist ihm nichts passiert.“
Beate hielt inne und blickte mit hochgezogenen Augenbrauen zu ihrem Vater. Irgendetwas war ihr entgangen. „Sagtest du einunddreißig? Hatte er denn Geburtstag? Ich dachte, er ist erst dreißig?“
„Oh“ , machte Pierre und griff sich mit einer theatralischen Geste an die Stirn. „Habe ich versäumt, dir zu erzählen, dass der Tag unserer Abreise aus Brest sein Geburtstag war? Ich muss wohl zu sehr mit unseren Urlaubsvorbereitungen beschäftigt gewesen sein, sodass ich nicht mehr daran gedacht habe.“
Das gemeine Grinsen ihres Vaters bei diesen Worten wollte ihr schie r das Herz brechen. Ihm tat es leid?! Als könnte sie ihm das nach all den Niederträchtigkeiten gegenüber Alain noch glauben. Warum ließ er einfach nichts unversucht, Alain immer wieder zu demütigen und zu verletzen? Dabei war ihr eigenes Verhalten gar nicht so viel besser. Sie hatte den Geburtstag ihres Onkels vergessen. Wie mochte ihm wohl zumute gewesen sein an diesem Tag?
Selbstverständlich hatte sich die Crew der „Bella“ von ihrer charmantesten Seite gezeigt und ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen – allen voran natürlich Answer. Seit dieser Unterhaltung gelang es Beate indes kaum noch, die Seereise und den Luxus an Bord zu genießen. Es ließ ihr keine Ruhe, dass sie Alain nicht erreichen konnte und er auch keinen Versuch unternahm, sich bei ihr zu melden. Zwei-, dreimal am Tag rief sie bei Julie an, die ihr nur jedes Mal eine abschlägige Antwort erteilte. Irgendwann müsste er doch zumindest seine Wäsche wechseln, selbst wenn er zum Essen und Schlafen bei einer seiner Frauen untergekommen war. Aber selbst das hatte er bislang nicht getan, wie ihr Julie versicherte.
Einmal in ihren Gedanken ließ sich diese Vorstellung nicht mehr verdrän gen. Es war die einzig schlüssige Erklärung für sein Schweigen: Alain hatte die günstige Gelegenheit ergriffen und sich anderweitig getröstet. Und weshalb sollte er zum Wäschewechsel nach Hause, wenn er vielleicht die ganze Zeit über gar keine Klamotten am Leib hatte? Außerdem wusste sie um seine gut gefüllte Geldbörse, sodass er sich immer und überall mit neuer Garderobe eindecken konnte, ohne einen Abstecher in die Villa machen zu müssen.
Pah, s ollte er doch! Es interessierte sie überhaupt nicht, was er hinter ihrem Rücken trieb. Eines allerdings war sicher, auf gar keinen Fall wollte sie eine Frau unter vielen im Kopf eines Mannes oder gar in seinem Bett sein. Die einzige Entschuldigung wäre, wenn er irgendwo im Krankenhaus lag und zu schwer verletzt war, um ein Telefon in die Hand zu nehmen. Daran allerdings mochte Beate lieber gar nicht denken. Nein, er war gesund und munter und steckte weiß Gott
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