Toedliche Luegen
wo.
Das weiß Gott wo und vor allem das Stecken war das Problem , wie sie mit glasklarer Schärfe erkannte.
Höchst widerwillig ließ sich Pierre schließlich dazu bewegen, ihr die Namen einiger Freunde von Alain zu nennen. Es kostete sie eine Unmenge Zeit und Nerven, bis sie wenigstens mit drei von ihnen über Seefunk sprechen konnte. Aber keiner der Männer war in der Lage, ihr bei der Suche nach Alain weiterzuhelfen. Niemand hatte ihn während der letzten Tage gesehen.
Nach einer Woche ertrug Beate das Warten und die Ungewissheit nicht länger und gab eine Vermisstenanzeige bei der Pariser Polizei auf. Sie konnte den Unmut aus der Stimme des Beamten am Telefon heraushören, sie dagegen bestand stur auf ihrer Anzeige. Zur Sicherheit wiederholte sie ihre Suchmeldung noch einmal bei der Polizei in Brest. Und tatsächlich fand die Gendarmerie in der Hafenstadt am Atlantik einen Tag später das zur Fahndung ausgeschriebene Motorrad von Alain auf dem Parkplatz am Passagierkai.
„Es ist wahrscheinlich, dass sich Monsieur Germeaux ebenfalls noch in Brest aufhält“, hatte ihr ein netter Polizeibeamter mitgeteilt und gleichzeitig versichert, sie auf dem Laufenden zu halten.
Bedauerlicherweise waren diesem Versprechen keine weiteren Neuigkeiten gefolgt, bis Beate die Stimme einer Frau am Telefon vernahm und sie das erste Mal mit Isabelle Didier sprach. Die Polizeipsychologin hatte keinen Hehl aus ihrer Sorge um Alain gemacht und ihr in deutlichen Worten erklärt, sie würde es für dringend erforderlich halten, auf schnellstem Weg nach Brest zurückzukehren.
Alain benötigte ihre Hilfe!
Mit einem flauen Gefühl im Magen klopfte sie an Alains Wohnungstür. Fast befürchtete sie, ihr Herz würde vor Angst noch lauter als ihre Fingerknöchel pochen. Alain musste sie auf jeden Fall gehört haben, doch nichts regte sich hinter der Tür. Vielleicht war er in seinem Bad? Oder er schlief bereits. Es war zweifelsohne ein anstrengender Tag für ihn gewesen und seinem Aussehen nach zu urteilen, hatte er Schlaf bitter nötig.
Am liebsten hätte sie die ausbleibende Antwort auf ihr Klopfen als Ausrede benutzt, um stehenden Fußes die Flucht zu ergreifen. Aber sie hatte ein Versprechen gegeben, also nahm sie all ihren kümmerlichen Mut zusammen und drückte die Türklinke nach unten.
„Darf ich?“, erkundigte sie sich mit eingezogenem Kopf.
Alain saß mit untergeschlagenen Beinen auf dem Teppichboden und starrte mit ausdruckslosem Blick nach unten. Sein Gesicht war nicht zu sehen, es verbarg sich hinter seinen Haaren, die ihm zerzaust auf die Schultern hingen. Es waren seine Fäuste, die sie stumm herbeiriefen. Schneeweiß war ihre Haut, jede Sehne bis zum Äußersten angespannt, messerscharf stachen die Knöchel aus dem Handrücken hervor.
„Alain?“
Er rührte sich nicht, sagte nichts. Sie wollte ihre Finger auf seine Fäuste legen, wollte ihnen die Gewaltbereitschaft nehmen, doch kurz davor zog sie sie wieder weg. Die Not vor ihren Augen war so bodenlos – und sie war die Ursache dafür.
„Alain … ich wollte …“
„Schweig!“, fauchte er.
Wie eine Schnecke zog Beate den Kopf ein und zog sich in ihr baufälliges Haus zurück , schwankte zwischen Trauer und Hass und Mutlosigkeit. Aber wenn sie jetzt nicht redete …
„Bea …“ Seine Stimme brach, nur seine Hand brachte noch die Kraft auf, sie zurückzuhalten. „B-bleib.“
Sie sank vor ihm in die Knie, legte zögernd die Fingerspitzen auf seine schmale Hand. Sie war eiskalt. Er zog sie nicht zurück. Da fühlte sie es. Sein ganzer Körper war ein einziger Hilferuf, angespannt wie eine Bogensehne. Er vibrierte bis in den letzten Muskel, sein Kiefer knirschte, weil er sich mit aller Gewalt die Gefühle zu verbieten versuchte. Er wollte nicht mehr schwach sein, hilflos und ausgeliefert. Doch über seine Tränen hatte auch er keine Macht. Beate spürte seine Angst, die Angst um sie beide, um sein vermeintlich wiedergewonnenes Leben.
Sie kroch dichter zu ihm , ließ einen Finger sanft über seine Wangen gleiten. Er schloss die Augen. Ihre Hände verschränkten sich ineinander, so fest, dass sie niemand mehr würde trennen können. Alles Suchen hatte ein Ende, sie waren angekommen. Keiner von beiden wartete darauf, dass der andere die wohltuende Stille zerstörte.
„ Ich habe dich vermisst“, flüsterte Beate nach einer halben Ewigkeit andächtigen Schweigens.
Er nickte s tumm und sie wünschte sich in diesem Moment nichts sehnlicher, als seine
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