Toedliche Luegen
korrigierte sie ihn unwirsch.
„ Wenn Sie nicht mit einem Ja oder Nein antworten können, sollten Sie es mir schleunigst anderweitig erklären!“, belferte er jetzt mindestens genauso ärgerlich zurück.
Beate stöhnte enerviert . Was hatte denn das eine mit dem anderen zu tun? Sie ahnte, dass sich Durlutte nicht länger mit ihren Ausflüchten zufriedengeben würde, was sie ihm nicht einmal verübelte. Angesichts des Zugeständnisses, welches ihr der Kriminaloberkommissar mit der verschobenen Befragung von Alain gemacht hatte, gab sie sich schließlich einen Ruck.
„Er ist nicht mein Onkel. Alain ist nach seiner Geburt von Pierres Vater adoptiert worden. Und ja, ich habe ein Verhältnis mit Alain. Das ist sicher nicht verboten, oder?“ Sie ließ den Kopf sinken. „Entschuldigen Sie. Natürlich ist das nicht verboten. Pierre allerdings hat nicht bloß einmal damit gedroht, Alain umzubringen, wenn er mir zu nahe kommt. Er hat ihn sogar geschlagen, weil er mit mir in Urlaub gefahren ist – ohne ihn um Erlaubnis zu bitten“, ätzte sie. „Dass wir uns lieben, interessierte meinen Vater überhaupt nicht. Im Gegenteil, er hat Alain dafür nur noch mehr gehasst.“
Ein Beamter winkte Durlutte hektisch zu sich. „Guck dir das an“, flüsterte er mit einem wachsamen Blick auf Beate.
Der Kriminaloberkommissar starrte auf den kleinen Bildschirm der Videokamera. Er wischte sich über die Augen, als befürchtete er , unter Sehstörungen zu leiden, und murmelte leise etwas, das klang wie „Eindeutig“, vor sich hin.
Abrupt drehte er sich zu den anderen Männern um und verkündete laut: „Gute Arbeit, Jungs. Packt alles zusammen und dann seht zu, dass ihr noch eine Mütze Schlaf bekommt. Wir sehen uns um acht im Büro.“
Und auch von Beate verabschiedete sich Oberkommissar Durlutte wenig später. Nach der Sichtung der Videobänder würde man sich ohnehin wieder sehen, kündigte er mit Bestimmtheit an.
Aber es lag keine Drohung in seinen Worten.
4 1. Kapitel
Unmittelbar nach Beates Hilferuf hatte Isabelle Didier mit Lucien Boyer telefoniert. Wie von ihrem geschiedenen Mann nicht anders zu erwarten war, hatte er sie in ihrem spontanen Vorhaben bestärkt. Er wusste, wie sehr ihr der junge Germeaux während seines Aufenthalts in Brest ans Herz gewachsen war. Ohne großes Federlesen hatte sie eine Tasche mit dem Notwendigsten gepackt und sich kurz nach Mitternacht in ihr Auto gesetzt, um nach Paris zu fahren.
Seit zwei Tagen weilte die Psychologin in der französischen Metropole, wo sie sich um Alain kümmerte. Er hatte sich kaum von den Verletzungen erholt, die auf das Konto von Pierre Germeaux’ Sadismus gingen.
Beate hielt auf Anraten der Psychologin jede Aufregung von ihm fern. Zu ihrem großen Entsetzen eröffnete ihr Isabelle Didier, dass vorübergehend ebenfalls sie selber dazu zählte. Dabei fiel es ihr gerade nach dieser Nacht schwer, sich von Alain fernzuhalten. Musste er nicht annehmen, sie würde ihm die Schuld an Pierres Tod geben? Oder dass sie sich von ihm abwandte, weil sie Pierres Lügen über seine angeblichen sexuellen Vorlieben Glauben schenkte? Nicht einmal über ihr erneutes Treffen mit Durlutte an diesem Nachmittag würde sie mit ihm reden dürfen.
Der Kriminaloberkommissar hatte sie zu einem Kaffee in sein Stammlokal ein geladen. Wie er in der Nacht von Pierres Tod angekündigt hatte, wollte er mit ihr über die vorläufigen Ergebnisse der Auswertung des Videomaterials und der Unterlagen aus Pierres Büro sprechen.
Und nun saß Durlutte dieser Deutschen wie ein schlecht vorbereiteter Pennäler gegenüber und wusste nicht, an welcher Stelle er mit seiner Rede beginnen sollte. Eine geschlagene Minute rührte er in seinem Kaffee, obwohl er weder Mi lch noch Zucker genommen hatte. Vielleicht wäre ihm das Sprechen leichter gefallen, hätte er Beate Schenke in seinem nüchternen Dienstzimmer empfangen. Was er zu sagen hatte, passte nicht in die angenehme Atmosphäre des Cafés.
„Monsieur Durlutte?“ Beate spürte mit wachsendem Unbehagen das Zögern des Mannes, während sie ihre eigene Ungeduld kaum zügeln konnte. „Das Video bestätigt doch meine Aussage, dass Pierre auf Alain gezi elt hat und er ihn töten wollte. Alain hat sich nur gewehrt und ist unschuldig, nicht wahr?“
Er zwang sich , ihren Augen nicht auszuweichen, als er zurückhaltend antwortete: „Ja. Natürlich, es war … es war wirklich ein Unfall. Alain trifft keinerlei Schuld. Monsieur Germeaux hatte eine
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