Toedliche Luegen
gepeitschten Schiffes stehen. Schneller und schneller drehten sich die Wände um ihn herum, während ihm der Schweiß in tausend Tropfen aus den Poren trat und über sein aschfahles Gesicht lief.
Irgendwie schaffte er es bis zum oberen Ende der Treppe. Die Anstrengung war so groß, dass er für einen Moment seine Augen schließen musste, um die letzten Kraftreserven in seinem geschundenen Körper zu sammeln und nicht an Ort und Stelle zusammenzubrechen. Sein Atem pfiff in kurzen, heftigen Stößen.
„Weite r … los … nicht stehen … bleiben … zur Tür … ins Bad …“
E r wusste, er durfte nicht einschlafen, und gab sich mit schwerer werdender Zunge laute Befehle. Halt suchend taumelte er auf das Toilettenbecken zu. Dabei war ihm längst klar, dass es mittlerweile selbst zum Magenauspumpen zu spät wäre angesichts der Unmengen an Alkohol, die sie ihm eingeflößt hatten. Wie schon auf der Ladefläche des Transporters steckte er einen Zeigefinger in den Mund und erbrach schwallartig.
Fabien, schoss es ihm durch den Kopf. Das Telefon! Wo war … Er musste das Telefon finden. Telefonieren. Fabien würde ihm helfen. Er war sein Freund und Arzt.
Alain war nicht mehr imstande , sich auf die Füße zu ziehen, also kroch er auf allen vieren vorwärts in Richtung seines Wohnraums.
Dann verlor er das Bewusstsein.
6. Kapitel
Mit einem heftigen Ruck kam der klapprige Peugeot zum Stehen. Die Tür flog auf und ein offenbar blinder Pinscher (Er hatte allen Ernstes das Auto mit einem Baum verwechselt.) in hohem Bogen durch die Luft. Ein unförmiges, quallenartiges Etwas quälte sich aus dem Inneren des Wagens, wobei es gefährlich knurrte und undefinierbare Laute von sich gab. Fünf Bockwürste am Ende einer gewaltigen Keule grapschten nach der zerknautschten Mütze auf dem kahlen Schädel. Schweiß troff dem Taxifahrer aus den Fettrollen im Nacken und verlor sich in seinem schmierigen Hemdkragen, während er mit einem vieldeutigen Grunzen den Gepäckraum öffnete und eine Reisetasche heraus zerrte. Erst dann bequemte er sich, seinem Fahrgast die Tür aufzuhalten.
Noch in einem Um kreis von drei Metern verbreitete der Mann einen Ekel erregenden Geruch und brachte Beate Schenke in Versuchung, sich die Nase zuzuhalten. Vorwurfsvoll taxierte er sie von der Seite, gerade so als würde er ihr die Schuld an dem außergewöhnlich heißen Spätsommer geben. Dann ließ er das Gepäck achtlos vor ihre Füße auf den Gehweg fallen.
Die Frau, die ihn um Haupteslänge überragte, zuckte gleichmütig mit den Schultern und verkniff sich einen passenden Kommentar. Stattdessen atmete sie mehrmals tief durch. Luft! Sie dehnte und streckte sich genüsslich wie eine Katze, nachdem die fast zweistündige Fahrt vom Flughafen zur Villa Chez le Matelot quer durch die ganze Stadt für sie zu einem einzigen Martyrium geworden war. Die Metropole an der Seine erschien ihr auf den ersten Blick als viel zu laut, hektisch und schrill. Beate hielt es für ausgeschlossen, sich jemals mit dem hier herrschenden, grauenhaften Verkehr anfreunden zu können. Nie zuvor hatte sie eine derartige Kakophonie verschiedenartigster Hupen und Klingeln, kreischender Bremsen und quietschender Reifen vermischt mit Baulärm, Sirenen und dem Dröhnen aus Ghettoblastern gehört.
Zu all dem Gedränge und Tohuwabohu auf den Straßen und Gehwegen lag – quasi als Sahnehäubchen – brütende Hitze über Paris. Obwohl Beate durch den Wetterbericht vorgewarnt war, hatte die Schwüle sie beim Verlassen des Flugzeugs regelrecht erschlagen. Die Luft stand wie eine Wand aus Beton vor ihr, während eine graue Dunstglocke verhinderte, dass passend zu den Backofentemperaturen wenigstens auch die Sonne zu sehen war. Und der mürrische Fahrer, dem sie sich eine halbe Ewigkeit wehrlos ausliefern musste, hatte sein Bestes getan, um ihre Laune stetig gegen den Nullpunkt sinken zu lassen.
Warum bloß bin ich nicht dort geblieben, wo ich hingehöre? haderte Beate mit ihrem Schicksal. Von wegen, er holt mich ganz bestimmt in Orly ab! Aber sicher doch, chérie , das ist überhaupt keine Frage.
Ein paar Sekunden lang verfluchte sie den Tag, an dem sie, ohne ernsthafte Überlegungen zum Sinn des Ganzen anzustellen, eingewilligt hatte, Pierre Germeaux in seiner Heimatstadt zu besuchen. Warum hatte er sie mit seinem Vorschlag auch derart überfahren müssen? Ihm konnte damals unmöglich entgangen sein, dass sie bei ihrem Jawort nicht ganz bei Sinnen gewesen war. Und selbst wenn
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