Toedliche Luegen
Lediglich drei Männer wurden bisher … tot geborgen.“
„Zwanzig Vermisste.“ Beate zuckte zusammen und schloss für einen Moment die Augen. Dann nickte sie stumm und erhob sich langsam und müde wie eine alte Frau. „Du hast Recht. Wie immer. Das hat überhaupt nichts zu besagen. Drei Tote. Und wenn schon? Sind ja nur Deutsche. Du entschuldigst mich.“
Den Kopf in die aufgestützten Arme gelegt blickte Alain fassungslos hinter der davoneilenden Beate her.
„Heiliges Kanonenrohr! Gute Arbeit, Germeaux. Verbeug dich, du Narr“, beglückwünschte er sich. Was war er bloß für ein Idiot! Verfluchter Crétin ! Hirnverbrannter Trottel! Ohne Sinn und Verstand gebrauchte er seine lose Zunge und schlug unbedacht tiefe Wunden. Musste er sich bei jedem in Misskredit bringen? Dabei empfand er Beates Anwesenheit längst nicht mehr so lästig, dass er sie leichtfertig oder gar absichtlich verletzen würde.
Voller Selbstverachtung, Gewissensbisse und Frustration ließ er s eine Faust auf den Tisch krachen, sodass das Frühstücksgeschirr gefährlich klirrte und klapperte.
Irgendwie hatte sich diese Frau in sein Leben eingeschlichen und ihn gezwungen, von ihr Kenntnis zu nehmen. Es gab kein Zurück mehr. Beate war die fleischgewordene Versuchung und eine schmerzliche Erinnerung an alles, was man ihm genommen hatte. Fröhlich, unschuldig und voller Optimismus und Lebensfreude war sie – und damit alles, was sein Herz schon so lange vermisste. Erschreckt musste er sich eingestehen, dass er begann, ihre Gegenwart zu genießen. Und das machte ihn mindestens ebenso ärgerlich wie sein taktloses Verhalten. Es machte ihn wütend, es beschämte ihn und er wusste nicht, wie er damit umgehen sollte.
Seine Empfindungen für Beate Schenke machten ihm Angst. Er fühlte sich bedroht, aus dem Lot geworfen, als ob die Welt, die er bis jetzt als zufriedener Zeitgenosse bewohnt hatte, plötzlich eine grundlegende Veränderung erfahren hätte, die seine Fähigkeit der Anpassung überschritt. Irgendetwas geschah mit ihm und das gefiel ihm nicht, weil er keine Kontrolle darüber hatte.
Seine Haut prickelte unter der leichtesten Berührung von ihr – nicht dass sie ihn mehr als dreimal und dann auch nur unbewusst angefasst hatte –, ihm wurde bereits warm, wenn er in der Ferne leidglich ihre Stimme hörte, er vibrierte wie eine Stimmgabel, sobald sie den Raum betrat. Leider waren seine Sinne nicht das Einzige an ihm, was in ihrer Gegenwart zum Leben erwachte. Ein einziger Blick von ihr, ein flüchtiges Lächeln auf ihrem Gesicht und er war erregt wie ein Teenager.
Wie es aussah, hatte eine unscheinbare Frau seinen sorgsam errichteten Verteidigungswall durchbrochen. Er wollte diese Frau erobern, wünschte allerdings gleichzeitig, sie nie mehr wieder zu sehen. Aber keines von beidem schien möglich zu sein. Sie gehörte zu jener Sorte, die das Herz des Mannes besitzen wollte, auf den sie sich einließ. Beate war zu stolz und zu willensstark, um sich mit weniger zu begnügen.
Doch sein versteinertes Herz durfte sich weder ihr noch einem anderen Menschen öffnen.
18. Kapitel
Es dämmerte bereits, als Alain an diesem Tag in die Villa Chez le Matelot zurückkehrte. Mit erhitztem Gesicht lugte er in die Küche, aus der es verführerisch duftete. Den ganzen Tag über hatte er diesen Augenblick herbeigesehnt. Trotz seines peinlichen Auftritts am Morgen konnte er es kaum erwarten, Beate wiederzusehen.
Die stand inzwischen geschlagene zwei Stunden vor dem Herd und betete mindestens ebenso lange voller Inbrunst, ihr möge bloß dieses eine Mal gelingen, was sie in Angriff genommen hatte. Welcher Teufel musste sie geritten haben, ihn zum Essen einzuladen! Zum Essen! Ihn! Den Leibhaftigen höchstpersönlich! Und das, wo sie es nicht ertragen würde, sich vor ihm zu blamieren und erneut Opfer seines beißenden Spotts zu werden.
Mit einem kurzen Seitenblick vergewisserte sie sich, dass das Telefonbuch in Reichweite lag. Ganz in der Nähe der Rue Jean Caroupaye befand sich ein indisches Restaurant, welches per Express ins Haus lieferte.
Der Eifer hatte ihre Wangen gerötet, an ihren Händen klebte noch der Saft einer Zitro ne und auf ihrem T-Shirt, lediglich einen Fingerbreit über ihrem Brustansatz, prangte ein schokoladenbrauner Fleck. Unwillkürlich fuhr sich Alain mit der Zungenspitze über die plötzlich trockenen Lippen und gab ungehörig schmatzende Geräusche von sich. Seine Augen blitzten begierig, wobei er sich einen Schritt
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