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Toedliche Luegen

Toedliche Luegen

Titel: Toedliche Luegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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sah, ließ sich jedoch einfach nicht in Worte fassen oder gar auf Papier bringen.
    Aus ir gendeinem Grund fühlte sie sich an ihre verkorkste Diplomarbeit erinnert.
    Und das entmutigte sie zweifelsohne noch mehr.
    In Gedanken verloren blätterte sie die Katalogseiten durch, ohne recht zu wissen, wonach sie suchte. Manchmal blieb sie verzückt an einer schreienden Überschrift hängen und dann las sie sogar die Bilanzen der Banque Nationale oder uralte Aktienkurse. Ein anderes Mal wiederum erschien die Verurteilung eines Anlagebetrügers ihrer Beachtung wert. Aber letzten Endes benötigte sie all diese Informationen nicht.
    Zu viele unverarbeitete Ereignisse schwirrten durch ihren Kopf und machten ein konzentriertes Arbeiten unmöglich. Immer deutlicher geisterte da etwas in ihr, das sie zunehmend beherrschte und ihr nic ht nur Kopfschmerzen bereitete.
    Es jagte ihr Angst ein. Und sie konnte nicht leugnen, dass dieses Bild einen Namen hatte und sie über die Maßen verwirrte, ja regelrecht verfolgte! Sie musste ihm bloß in einem Moment der Unachtsamkeit die Tür in ihr Denken öffnen, da nahm er sich auch schon einen Stuhl und ließ sich gemütlich darauf nieder. Und dann weigerte er sich natürlich hartnäckig, wieder zu verschwinden. Natürlich! Er verdiente jeden Applaus, stehende Ovationen und Bravorufe für diese meisterhafte Vorstellung.
    Obwohl sie seine Überheblichkeit und Kälte abstießen, fühlte sie sich gleichzeitig von seiner Männlichkeit und seinem verqueren Sinn für Humor angezogen. Alain steckte voller Widersprüche und das reizte sie ebenso, wie sein Temperament, seine Souveränität und Intelligenz sie faszinierten. Jeden Tag freute sie sich darauf, ihm beim gemeinsamen Essen gegenüberzusitzen, ihn heimlich betrachten zu können, seiner dunklen Stimme zu lauschen. Dann jedoch wagte sie kaum mehr als eine belanglose Unterhaltung mit ihm über die vorzüglich bereiteten Speisen oder das ach so wechselhafte Wetter.
    Ungeachtet seiner Unberechenbarkeit musste sie zugeben, dass sich ihr Verhältnis auf wundersame Weise mehr und mehr entspannte.
    „Ärzte mangels Beweisen freigesprochen.“ Eine knallige Überschrift stach ihr ins Auge. Nein, Medizin interessierte sie wirklich nicht.
    Ferrard …
    Beate zwang sich, dem Strom ihrer Gedanken Einhalt zu gebieten. In letzter Zeit, das wurde ihr jäh bewusst, verselbständigten sich ihre Gedanken immer öfter. Sie überließ sich abstrakten Erörterungen, anstatt sich auf die Alltagspflichten zu konzentrieren.
    Also, noch einmal von vorne. Ferrard . „Arzt freigesprochen mangels Beweisen“.
    Irgendwie kam ihr der Name bekannt vor. In Anbetracht der vielen neuen Gesichter, denen sie in der letzten Zeit begegnet war, verwunderte sie das auch nicht weiter. Mit gekräuselter Stirn überlegte sie angestrengt. Ferrard. Woher kannte sie diesen Namen? War das nicht ein Doktor Sebastian Ferrard, der Alain im St. George nach der Blutvergiftung behandelt hatte? Ihr Gesicht erhellte sich. Auch die Transplantation der Spenderniere war damals von dem kleinen, narzisstischen Chefarzt mit dem arroganten Grinsen vorgenommen worden.
    Hastig blätterte sie einige Seiten zurück. Ihre Augen überflogen den Text. „Unregelmäßigkeiten bei den Abrechnungen … Krankenkassen wehren sich … neue Vorwürfe …“
    Blabla. Sie pustete enerviert ein Haar aus ihrer Stirn. Kruzitürken, das war doch überall das Gleiche! Die Schlagzeilen in den französischen Zeitungen waren kaum von denen in Deutschland zu unterscheiden. Korruption und Schwindel und Betrügereien, wohin man sah.
    Trotzdem las sie , leise vor sich hin murmelnd, weiter: „Schaden von mehreren …“
    Blablabla.
    „Vernommen wurde in diesem Zusammenhang …“
    Na, wer wohl? Das konnte nicht wahr sein!
    „… Doktor Sebastian Michel Ferrard. In seiner Klinik wird eine unverhältnismäßig hohe Anzahl von Transplantationen registriert. Nach wie vor ungeklärt ist die Herkunft eines Großteils der Organe.“
    Beat e schluckte hörbar und blätterte mit angehaltenem Atem die Seite um. Der Text endete an dieser Stelle. Ungläubig schüttelte sie den Kopf und schlug die Zeitung zu.
    Petite Gazette Parisienne – noch nie gehört. Wahrscheinlich irgendein kleines, unbedeutendes Käseblatt mit bloß ein paar hundert Exemplaren.
    Sie lehnte sich auf dem knarrenden Bibliotheksstuhl zurück und stierte versonnen auf einen Buchrücken im Regal vor sich.
    Was soll der Quatsch? Paris ist groß , es gibt tausende Doktoren

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