Tödliche Mitgift
Sie ihn danach noch mal getroffen?«
»Nein. Warum sollte ich?«
»Herr Kroll. Hier geht es um Wahrheitsfindung, nicht um Small Talk.«
Krolls Hand, die schon wieder eine Zigarette hielt, zitterte leicht.
»John Dreyling hat Ihre Gutwilligkeit und ihre Hilfsbereitschaft nur ausgenutzt, nicht wahr?«, fragte Pia sanft. Sie breitete die Fotos vom Tatort auf dem Tisch aus.
»Das geht jetzt aber zu weit«, protestierte der Anwalt, der beim Anblick der Nahaufnahmen des Halsschnittes blass wurde.
»Mit dem da …«, Kroll deutete auf die Fotos, »habe ich nichts zu tun, verdammt! Es war nur ein harmloser, kleiner Job. Übrigens einer von vielen, die John Dreyling mir indirekt vermittelt hat. Nachdem wir uns bei ihm auf der Terrasse kennengelernt hatten, hat sich Dreyling immer mal wieder bei mir gemeldet. Er sagte, meine Talente wären als Packer vergeudet, er bräuchte ab und zu einen Menschen, auf den er sich verlassen kann. Ich sollte für ihn herausfinden, wo sich seine Schwiegertochter aufhält und mit wem …«
»Nichts weiter?«
»Nein.«
»Warum sollten Sie das tun, Herr Kroll?«
»Verdammt, Sie glauben wohl, ich könnte nichts, nur weil ich mir nicht meinen Arsch auf einem Beamtensessel breit sitze …«
»Warum hielt Herr Dreyling Sie für geeignet, seiner Schwiegertochter hinterherzuspionieren?«
»Weil ich gut darin bin. Ich hab auch mal in so ’nem Detektivbüro gearbeitet … Die haben nur zu mies gezahlt.«
»Im Gegensatz zu Herrn Dreyling?«
»Ja.«
»Was hat er gezahlt?«
»Das sage ich nicht.«
»Gut, aber für sein Geld wollte er eine Leistung. Was sollten Sie tun, wenn Sie Annegret Dreyling gefunden haben?«
»Sie müssen das nicht beantworten«, ließ sich der Anwalt vernehmen.
Kroll beachtete ihn nicht. »John Dreyling bat mich, mit ihr zu reden, um sie zur Vernunft zu bringen«, sagte er. Die Spannung im Raum war fast greifbar.
»Vernunft? In Bezug auf was?«, hakte Pia nach.
»Sie sollte ihren Otto unter einen Vertrag setzen.«
»Ihren was?«
»Sie sollte was unterschreiben. Es war alles ganz harmlos. Ich habe ihr nur zugeredet, damit sie endlich ihren blöden Ehevertrag unterschreibt. Aber ich hab ihr kein Haar gekrümmt, ich wollte ihr nur helfen.«
»Helfen?«
»Sie hat sich mit dieser Heirat doch mit Leuten angelegt, denen sie nicht gewachsen war. Eine Unterschrift – und alles wäre gut gewesen.«
»Und als sie nicht unterschreiben wollte, da kam das Messer ins Spiel?«
Krolls Kopf fuhr hoch. »Welches Messer?«
»Das, mit dem Annegret Dreyling ermordet wurde«, sagte Gabler mit eindringlicher Stimme.
»Hey, das könnt ihr mir nicht anhängen!« Kroll stieß sich vom Tisch ab, als wollte er aufspringen. Gabler, der ihm am nächsten saß, machte sich bereit, ihn im Zweifelsfall festzuhalten.
»Wie sieht das denn Ihrer Meinung nach aus, Herr Kroll? Sie sind in Annegret Dreylings Hotelzimmer gewesen. Sie mussten das Opfer zu etwas ›überreden‹, was es keinesfalls wollte. Sie sind schon einmal wegen eines tätlichen Angriffs mit einem Messer verurteilt worden. Und das Nächste, was passierte, war, dass man Annegret Dreyling ermordet in diesem Zimmer aufgefunden hat. Jemand hat ihr mit einem Messer die Kehle durchgeschnitten.«
»Sie sind doch alle auf dem völlig falschen Dampfer!«
»Ich glaube Ihnen durchaus, dass Sie ihr nichts antun wollten, Herr Kroll. Sie sind kein skrupelloser Mörder. Aber Annegret Dreyling hat Sie provoziert, nicht wahr? Und da ist es einfach passiert …«, sagte Gabler sanft.
Mit der Verständnis-Tour würde er bei Kroll nichts erreichen, dachte Pia, noch bevor dieser auf eine abstoßende Art und Weise laut zu lachen anfing.
»Schade, dass Sie die Tatwaffe nicht haben«, sagte Alexander Meier am Telefon, als Pia ihn nach dem Verhör noch einmal anrief, um zu berichten.
»Im Obduktionsbericht heißt es, dass es ein gut geschliffenes, schartenfreies Messer mit einer zwölf bis fünfzehn Zentimeter langen Klinge gewesen ist. Es könnte ein Fleischmesser gewesen sein.«
»Hm«, murmelte Meier, »das passt nicht. In Krolls Akte steht, dass er bei der Tat, für die er verurteilt wurde, ein Kampfmesser mit der traditionellen japanischen Tanto-Klingenform benutzt hat. Ein paar Tanto-Messer wurden damals bei ihm in der Wohnung gefunden: Militär- und Freizeitmesser verschiedener Hersteller – nicht unbedingt das Equipment, das man für ein Picknick braucht … Eine Verbindung zwischen Tatwaffe und Täter wäre bestimmt von Vorteil, wenn
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