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Tödliche Mitgift

Tödliche Mitgift

Titel: Tödliche Mitgift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Almstädt
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baumelte.
    Endlich ging der Anfall, den der Anblick seines zerstörten Arbeitszimmers ausgelöst hatte, vorüber. Er zog sich am Schreibtisch hoch, spannte die noch tauben Muskeln in Armen und Beinen an. Er hatte sich nicht getäuscht. Die Ecke des Zimmers, in der sein Schreibtisch stand, war rauchgeschwärzt. Sein Blick fiel auf das dunkle, verformte Etwas, das einmal sein Computer gewesen war. Den Monitor und die Tastatur hatte es auch erwischt, die Festplatte sah definitiv so aus, als wäre da nichts mehr zu retten. Die ganze Bude hätte abfackeln können, und er mittendrin.
    War ein Kabelbrand die Ursache? Etwas hatte sich durch seinen Rechner gefressen, Plastikgehäuse und Innenleben in ein organisch aussehendes Gekröse verwandelt und ein rußiges Loch in die Resopalplatte des Schreibtisches gebrannt. Dann war das Feuer wohl erloschen, noch während er auf seinem Sofa geschlafen hatte.
    Löwgen zwang sich, seinen zerstörten Arbeitsplatz distanziert und nüchtern zu betrachten, um keine weitere Kata zu riskieren. Er würde den Raum renovieren müssen, und er brauchte einen neuen Schreibtisch. Das stellte eine finanzielle Belastung für ihn dar, war aber zu verschmerzen. Was seinen Computer betraf, den Verlust seiner Daten, so fühlte er sich außerstande, den Schaden beheben zu können. Doch am schlimmsten war der nagende Zweifel an sich selbst: Wenn es kein Kabelbrand gewesen war, was dann? Eine Zigarette? War er so unvorsichtig gewesen, eine brennende Zigarette auf dem Schreibtisch liegen zu lassen? Sein Hausarzt, der bei ihm die Krankheit diagnostiziert hatte, hatte ihn eindringlich davor gewarnt, zu rauchen. Gesund ernähren sollte er sich natürlich auch, keinen Stress, keinen Alkohol, Autofahren war zu gefährlich, keine Bedienung von Maschinen, keine Bildschirmarbeit, keine monotonen Tätigkeiten, gar nichts. Und außer den notwendigen Medikamenten natürlich auch keine Drogen.
    »Und wofür lebe ich dann noch?«, hatte Bernhard Löwgen, damals neunzehn Jahre jung, ihn gefragt. »Für die beschissene Krankheit?«
    Der Arzt hatte ihn nur angesehen und sich dann abgewandt, um in einem altmodisch aussehenden Buch nach dem richtigen Medikament für die Krankheit zu suchen, mit der er sich augenscheinlich nicht gut auskannte: Narkolepsie. Er hatte von Bernhard dann auch nicht mehr die Gelegenheit bekommen, das Krankheitsbild am lebenden Objekt zu studieren, denn Bernhard hatte sich einen Fachmann gesucht. An der Diagnose hatte sich dadurch nichts geändert. Aufgrund der Krankheit, die als unheilbar galt, hatte er nie den Führerschein gemacht. Er ging zu Fuß oder fuhr Fahrrad, denn damit brachte er, wie er meinte, im Großen und Ganzen nur sich selbst in Gefahr. Niemand verstand, warum er unter diesen Voraussetzungen hier draußen in Duvensee wohnte, doch er argumentierte, dass Lärm und Dreck einer Stadt weitere Anfälle bei ihm auslösen würden. In Wahrheit war er einfach lieber für sich. Dieses Haus, die zurückhaltende Esther Winkler als Vermieterin, das Grundstück drum herum, Platz, so weit das Auge reichte – Nachbarn, die ihn in Ruhe ließen. Von jeher konnte er es nicht ertragen, in Gegenwart fremder Leute eine Kataplexie zu erleiden oder einzuschlafen, in hilflosem Zustand angestarrt zu werden, Erklärungen abgeben zu müssen. Er hatte seine Wohnung gesichert, indem er den vorhandenen Gasherd abgeschafft hatte. Die wenigen Lebensmittel, die er benötigte, wurden ihm geliefert, und wenn es ihn wirklich mal unter Menschen zog, konnte er am Kanal entlang nach Lübeck fahren und über die Landstraße nach Ratzeburg oder Mölln. Beim Radfahren hatte er noch nie Probleme gehabt, sondern er war der Meinung, dass ihm die regelmäßige Bewegung an frischer Luft gut tat.
    Einen Augenblick stand er unschlüssig da. Hatte er nach dem Frühstück überhaupt noch Zigaretten gehabt? Mit erschreckender Klarheit erinnerte er sich, dass die Zigarettenschachtel leer gewesen war. Er hatte gar nicht geraucht. Und ein Kabelbrand aus heiterem Himmel?
    Bernhard Löwgen suchte nach seinem Telefon, um die Polizei zu verständigen, doch mitten in der Bewegung stoppte er. Was konnte er denen schon sagen? Wenn er ein Motiv für die Zerstörung seines Rechners nennen sollte, fiel ihm nur Perugia ein. Doch er war fest entschlossen, Annegret nicht im Nachhinein noch der Schaulust diverser Polizeibeamter auszusetzen. Er war es ihr schuldig, ihr wenigstens das zu ersparen, wenn er ihr sonst nichts hatte ersparen können. Aber

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