Tödliche Mitgift
ihrem Magen. Es war Ewigkeiten her, dass sie Cola getrunken hatte.
»Ja, wir sind ein ganzes Stück weitergekommen«, antwortete sie, nachdem die junge Frau gegangen war. Sie sah, wie Regina Dreyling ungeduldig die Stirn in Falten zog. Pia überlegte, wie viel an Informationen sie preisgeben konnte, um ihrerseits vielleicht noch etwas mehr von den Dreylings zu erfahren. Über den aufgesetzten, aber niemals unterzeichneten Ehevertrag würden sie in Kürze ohnehin alles erfahren. Gleichzeitig wollte sie die Dreylings nicht wissen lassen, wie nah sie tatsächlich schon dran waren.
»Ich verstehe, dass das alles äußerst diskret und vorsichtig behandelt werden muss, doch als direkte Angehörige des Opfers haben wir auch gewisse Rechte«, erklärte Ole Dreyling, der in Abwesenheit seines Vaters sichtbar an Selbstbewusstsein zu gewinnen schien.
»In einer Situation wie dieser, einer laufenden Ermittlung, habe ich keinerlei Befugnis, Ihnen Auskünfte zu erteilen«, antwortete sie und musterte den veränderten Ole Dreyling interessiert.
»Sie verlangen, dass wir stillhalten, was die unglückselige Pressegeschichte betrifft, und sind dann nicht mal zur geringsten Kooperation mit uns bereit?«, mischte sich Regina Dreyling erbost ein.
»Kooperation?«, wiederholte Pia.
»Ich sehe, wir kommen so nicht weiter«, schlug Ole Dreyling einen anderen Ton an. »Sie verstehen sicher, dass die ganze Geschichte uns alle sehr belastet. Da gehen die Emotionen schon mal mit einem durch.«
Pia zog fragend die Augenbrauen hoch.
»Um es klar zu sagen: Wir sind von unseren Anwälten natürlich über Ihren Besuch in der Kanzlei informiert worden. Herr Hillinger äußerte sich sehr besorgt über die Richtung, die Ihre Nachforschungen anscheinend nehmen. Es ist absurd, eine Verwicklung unserer Familie oder einer ehrbaren, seit über fünfzig Jahren bestehenden Anwaltskanzlei in einen Mordfall zu vermuten. Ich habe lange darüber nachgedacht. Meine Frau und ich waren nur kurz miteinander verheiratet, zu kurz, um einander wirklich zu kennen. Vielleicht steckte Annegret schon vor unserer Heirat in Schwierigkeiten …«
»Herr Dreyling, wenn Sie über irgendwelche Vorgänge Kenntnis haben, die in diese Richtung deuten, dann sollten Sie uns das schleunigst wissen lassen.«
»Ich wünschte, ich hätte«, antwortete er.
Regina Dreyling klappte resigniert die Speisekarte zu, die sie noch aufgeschlagen vor sich liegen gehabt hatte. »Wir wissen in dieser Beziehung natürlich nichts Konkretes. Woher auch?«, seufzte sie. »Annegret war quasi eine Fremde für uns.« Sie unterdrückte mit einer knappen Handbewegung den aufkeimenden Protest ihres Sohnes.
»Weshalb war der Ehevertrag zwischen Ihnen und Annegret Dreyling eigentlich so wichtig?«, tastete Pia sich vor.
Regina Dreyling antwortete, obwohl Pia ihren Sohn angesehen hatte. »Durch die Zugewinnregelung des Gesetzgebers hätte sie bei einer möglichen Trennung unseren Geschäften schweren Schaden zufügen können. Ole ist gerade dabei, sich in São Paulo etwas Eigenes aufzubauen. Und es wäre schließlich nicht das erste Mal gewesen, dass ein Unternehmen aus diesem Grund Konkurs anmelden muss …«
»Ich verstehe«, sagte Pia und meinte es auch so.
»Gegen Marcel Kroll ist Haftbefehl erlassen worden«, informierte Broders sie, als Pia wieder ins Kommissariat kam.
»Fluchtgefahr, Schwere der zur Last gelegten Schuld, et cetera, et cetera.«
»Wenn wir nicht bald John Dreylings Aussage bekommen, ist der schneller wieder draußen, als uns lieb sein kann«, erwiderte Pia düster.
»Hey, ich wollte dich mit einer guten Nachricht erfreuen!«, beschwerte sich Broders.
»Ist dir ja fast gelungen. Ich komme nur gerade von einer Trauerfeier.«
»Ja, so siehst du auch aus.«
»Stimmt was nicht?«
»Du bist ganz grau im Gesicht.«
»Du baust mich auf, Heinz. Ich habe nur Hunger, und deshalb verschwinde ich jetzt auch. Dann habe ich ausnahmsweise mal Zeit, einen Abstecher in einen Lebensmittelladen zu machen und mir etwas Schönes kochen zu können.«
»Was ist denn hier los? Müssen wir uns auf eine längere Belagerungszeit einstellen?«, fragte Hinnerk, als er am Abend Pias Küche betrat. Sie hatte drei Kisten mit Lebensmitteln und anderen lebensnotwendigen Utensilien hinauf in ihre Wohnung geschleppt und war gerade dabei, das Zeug in den Schränken und im Kühlschrank zu verstauen.
»Ich hab einfach keine Lust mehr, in leere Schränke zu starren, wenn ich hungrig von der Arbeit nach
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