Tödliche Mitgift
jedenfalls keine neuen Erkenntnisse bringen, dachte Pia, als sie ihre Unterschrift in das dafür ausliegende Buch setzte. Hinter ihr ertönte ein energisches Hüsteln, und sie fuhr herum.
»Kommissarin Korittki?« Regina Dreyling stand mit erhobenem Kinn vor ihr, wohl um unter ihrer Hutkrempe hervorsehen zu können. »Wir haben uns gedacht, dass Sie uns vielleicht noch einen Augenblick Gesellschaft leisten möchten? Wir fahren jetzt ins Mövenpick -Restaurant und würden uns freuen, Sie dort begrüßen zu dürfen.«
Es klang nicht wie eine Frage, sondern eher wie ein Befehl, was bei Pia den sofortigen Impuls auslöste, sich zu widersetzen. Ihr Verlangen nach weiteren Informationen, insbesondere über John Dreyling, siegte in diesem Fall jedoch über ihren Widerspruchsgeist.
»Danke, ich werde da sein«, antwortete sie. »Sagen wir, in etwa zehn Minuten?«
»Sie können mit uns fahren, wir nehmen Sie mit«, meinte Regina Dreyling und deutete mit dem Kopf zum Ausgang, wo Ole Dreyling mit in den Taschen versenkten Händen dastand und stoisch wartete.
»Das ist nicht nötig. Ich fahre selbst«, erwiderte Pia, die gern unabhängig war und sich nötigenfalls kurzfristig von den Dreylings verabschieden können wollte. Sie bezweifelte, dass einer von ihnen ernsthaft trauerte, nicht einmal Ole Dreyling traute sie eine tiefer gehende emotionale Bindung zu seiner verstorbenen Frau zu. Nichtsdestotrotz war das anstehende Gespräch mit einem Gang über ein emotionales und gesellschaftliches Minenfeld vergleichbar.
»Also gut«, sagte Regina Dreyling. »Wir sehen uns dann gleich.« Sie schritt auf ihren hochhackigen Pumps davon; das Klacken ihrer Absätze hallte von den kahlen Wänden wider wie das Geräusch eines Taktgebers.
Mal sehen, was sie vorhaben, dachte Pia. Aus purer Freundlichkeit war sie jedenfalls nicht eingeladen worden. Sie wandte sich der allein dastehenden Bianca Nowak zu, um ihr ihr Beileid auszusprechen.
»Berry, Berry Löwgen, verdammt, so warte doch mal!«
Er hatte gerade das Schloss geöffnet, mit dem er sein Rennrad an einem Laternenmast vor dem Friedhof angeschlossen hatte, und wollte eben aufs Rad steigen, als Caterina angelaufen kam. Am liebsten hätte er sie nicht beachtet und wäre einfach davongeradelt, aber da stand sie schon neben ihm und hielt den Lenker fest.
»Was machst du denn hier?«, fragte er feindselig.
»Falls du es noch nicht bemerkt haben solltest: Das war hier gerade die Trauerfeier für meinen verstorbenen Ehemann und meine Schwägerin.«
»Ach ja, hatte ich ganz vergessen. Ich dachte allerdings, dass du lieber mit Gisberto in der Karibik rumhängst und Cocktails trinkst.«
Caterinas fein geschwungene Augenbrauen zogen sich zusammen, ihr Blick richtete sich einen Moment auf einen Punkt weitab des Friedhofs und der Straße. »Er hat mich reingelegt«, zischte sie. »Mein eigener Onkel hat mich reingelegt.«
»Ich kann nicht sagen, dass mich das überrascht«, bemerkte er und versuchte, seine momentane Überlegenheit auszukosten. »Aber es war sicherlich nicht alles umsonst, oder?«
»Nichts passiert umsonst«, erwiderte sie, und Löwgen war froh, nicht in Rizzos Haut zu stecken, selbst auf die Entfernung, die augenscheinlich momentan zwischen ihm und seiner Nichte lag, und trotz des vielen Geldes, das er sich ergaunert hatte.
»Entschuldige mich«, meinte er und schwang sein Bein über die Stange. Mit seinem rechten Fuß tastete er nach der Pedale seines Fahrrads. »Ich habe noch einiges zu tun heute.«
»Wirklich? Ich wollte dich noch was fragen, Berry.«
»Mach es kurz«, sagte er. Ihre Gegenwart war mit zu vielen bösen Erinnerungen verknüpft. Egal, wie schlecht es ihr womöglich gerade ging, er fühlte, wie ihre bloße Gegenwart seinen Stresspegel ansteigen ließ.
»Wie kannst du eigentlich damit leben?«, wollte Caterina wissen, und ihr Gesicht verzog sich hasserfüllt, »mit deiner Schuld an allem, was passiert ist? Kannst du da überhaupt noch schlafen?«
Er stieß sich vom Bürgersteig ab und trat in die Pedale, als wäre ein bissiger Köter hinter ihm her.
»Sind Sie mit Ihren Ermittlungen denn nun schon weiter?«, fragte Ole Dreyling, kaum dass Pia sich in dem Lokal zu den Dreylings an den Tisch gesetzt hatte. Eine Kellnerin erschien in diesem Moment und enthob Pia der sofortigen Antwort. Die Dreylings ließen sich die Speisekarte geben, während sie sich nur ein Glas Cola bestellte. Cola? Vielleicht beseitigten Zucker und Kohlensäure das flaue Gefühl in
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