Tödliche Mitgift
Caterina!« Er musterte seine Frau misstrauisch. Sie waren seit fünf Jahren verheiratet, doch auf diese Art und Weise hatte sie ihn noch nie begrüßt. Sie standen zwar schon während des gesamten Italienaufenthalts unter Strom, was sich immer wieder in heftigen Diskussionen oder leidenschaftlichem, wenn auch irgendwie distanziertem Sex entladen hatte, doch die Anspannung, die er jetzt spürte, war eine andere, lähmende … »Ich will wissen, was los ist. Ich war eben im Guarini!«, sagte er drohend.
»Was? Du weißt doch, was wir mit Rizzo besprochen haben. Das Hotel ist tabu. Wie kannst du nur …« Sie verstummte und sah ihn mit einem elenden Ausdruck in den sonst so lebhaften braunen Augen an.
»Es ist etwas passiert, als ich weg war. Das weiß ich. Und ich will sofort von dir wissen, was es ist!«
Ihr Gesichtsausdruck, Angst und Entschlossenheit, die miteinander zu kämpfen schienen, traf ihn wie ein Hieb in die Magengrube. Er ballte die Fäuste.
»Annegret ist tot«, sagte sie und wandte den Blick ab.
Er hatte es geahnt. Ja, er hatte es so gut wie gewusst, doch diese Ungeheuerlichkeit aus ihrem Mund zu hören, klar und verständlich formuliert, weckte nur das zornige Verlangen, sie zu bestreiten. Der Muskel in seinem rechten Arm zuckte, die Wut schickte Blitze in sein Blickfeld, und ehe er sich’s versah, hatte er Caterina gepackt und schüttelte sie grob. »Du lügst! Annegret ist nicht tot. Sie kann nicht tot sein, nicht meine Schwester!«
»Du tust mir weh.«
»Du hast sie nie gemocht, nicht wahr, Caterina? Und jetzt lügst du auch noch, erzählst mir, dass sie tot sein soll …«
»Lass mich los, Matthias«, sagte sie; ihre Zähne schlugen dabei aufeinander. »Komm wieder zu dir. Es ist die Wahrheit.«
Er ließ sie abrupt los, sie stolperte und fiel rückwärts in die ausladende Ledergarnitur. Caterina schrie auf und starrte ihn mit aufgerissenen Augen an. »Mein Onkel hat mich gewarnt, dass du es schlecht aufnehmen würdest. Er wollte es dir selbst sagen, aber ich wollte das nicht. Ich fand es besser, wenn du es von mir erfährst«, fügte sie hinzu. Caterina hatte sich erstaunlich schnell wieder gefasst. Sie rieb sich den linken Oberarm, dort, wo er sie so grob gepackt hatte, und musterte ihn, wie um nach weiteren Anzeichen unkontrollierter Trauer und Wut zu suchen. Matthias stolperte ein paar Schritte rückwärts und weigerte sich, der grausamen Tatsache ins Auge zu sehen. Ihm wurde übel, und der Raum schien sich um ihn zu drehen, immer schneller. Er wankte ein paar Schritte auf das Sofa zu, sah, wie seine Frau ihm eine Hand entgegenstreckte, doch er reagierte nicht darauf.
»Sie ist wirklich tot?«, fragte er krächzend.
»Ja. Es tut mir sehr leid um deine Schwester. Aber wir müssen an uns denken und weitermachen. Wir dürfen jetzt nicht die Kontrolle verlieren. Du musst dich besser im Griff haben, Matthias.«
»Du hast ja keine Ahnung!«
Caterinas Stimme klang kalt, als sie ihm antwortete: »Ach ja? Noch etwas. Merke es dir gut: Fass mich nie wieder so an.«
Nowaks Wut schwand. Zurück blieben der beißende Schmerz und ein quälendes Schuldgefühl. Er wollte schreien, heulen, brüllen, sich irgendwie Luft verschaffen, doch er wusste nicht, wie. Stattdessen sank er neben Caterina auf das Sofa, sein Kopf fiel nach vorn, seine Stirn ruhte auf ihren Oberschenkeln, und er spürte, wie etwas in ihm langsam zu Stein wurde. Ihre Hand, die über seinen Rücken und durch sein Haar fuhr, hätte er am liebsten abgeschüttelt, doch eine grausige Faszination ließ ihn ihren Worten lauschen, als sie ihm schilderte, was sich zugetragen hatte.
Nachdem er auf Rizzos Anweisung hin nach Rom gefahren war, hatte Caterina keinen Kontakt mehr zu Annegret oder Bernhard Löwgen im Guarini gehabt. Das war so abgesprochen, denn niemand sollte eine Verbindung zwischen Annegret Dreyling und Bernhard Löwgen im Guarini Palace Hotel einerseits und Caterina und Matthias Nowak in der Via Romana herstellen können. Sie mussten sich zwangsläufig hin und wieder mit Gisberto Rizzo treffen, doch auch das nur mit äußerster Vorsicht, denn Rizzos Telefone wurden abgehört, und wahrscheinlich wurde er sogar verfolgt, solange er sich in Italien aufhielt.
Es war auch kein Kontakt mehr nötig, denn die gestohlenen Kunstgegenstände, Artefakte aus Raubgrabungen mit einem Wert, der angeblich im siebenstelligen Bereich lag, warteten in dem Haus in der Nähe von Tuoro sicher auf die geplante Übergabe. Bis dahin gab es nichts
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