Tödliche Mitgift
bei seiner Frau Caterina in St. Jürgen.«
»Haben Sie die Adresse?«
»Ich war nie da. Aber warten Sie …« Sie griff in einen gläsernen Stiefel auf dem Beistelltisch und wühlte in einer Sammlung Streichholzheftchen. Mit triumphierendem Gesichtsausdruck zog sie eins heraus und reichte es Pia. »Das hat Matthias mir mal gegeben, als ich mit ’nem Typen zusammen war, der ein Auto hatte. Seine Schwiegereltern haben nämlich ’ne Autowerkstatt. Am besten, Sie fragen Caterinas Eltern, wo sich Matthias herumtreibt. Die wissen es bestimmt.«
»Danke schön.« Pia steckte das Streichholzheftchen nach einem kurzen Blick darauf in ihre Tasche. »Ich werde jetzt gehen. Haben Sie jemanden, der Ihnen in dieser schwierigen Situation beistehen kann?« Ein Klassiker, die Frage, aber in Anbetracht von Bianca Nowaks Reaktion kam sie Pia unangemessen vor. Aus dem Nebenzimmer tönte unmissverständlich der Lärm eines Maschinengewehrgefechts.
»Machen Sie sich um mich keine Sorgen. Ich komme klar. Es geht immer weiter – muss es ja.«
»Ich rufe Sie an, falls wir wegen der Identifizierung Ihre Hilfe benötigen.«
»Geht klar«, war die gleichgültige Antwort.
Pia gab Bianca Nowak ihre Karte und stand auf.
»Koriticki«, las die Nowak stockend, »ist das Griechisch?«
»Nein«, sagte Pia. »Auf Wiedersehen, Frau Nowak.«
»Warten Sie!« Bianca Nowak erhob sich und holte Pia im Flur wieder ein. »Sie sind sich doch sicher, oder?«, fragte sie und tippte Pia mit einem langen Fingernagel gegen den Oberarm.
»Dass es sich bei der Ermordeten um Ihre Tochter handelt? Nein, das sind wir nicht. Aber die Wahrscheinlichkeit ist hoch.«
»Haben Sie schon ein Bild von ihr, von Annegret?«
»Ihre Schwiegermutter will mir ein paar Hochzeitsfotos überlassen, auf denen Annegret angeblich gut zu erkennen ist.«
»Die Hochzeit! Ich war ja nicht da – hab’s irgendwie nicht auf die Reihe gekriegt. Aber so ein Foto meinte ich auch nicht. Ich meinte ein Foto der Ermordeten … um sicher zu sein.«
»Nein, das haben wir noch nicht«, antwortete Pia und schaute in die grünen, eigentlich hübschen Augen, die sie so emotionslos wie Puppenaugen fixierten. Im Nebenraum war einen Moment Ruhe eingekehrt, dann schwoll der Lärm wieder an, und ein Kanon unnatürlichen Stöhnens schallte durch die angelehnte Zimmertür.
»Andi, nicht schon wieder die DVD!«, rief Bianca Nowak genervt. »Wenn du wieder auf die Überdecke wichst, kannst du was erleben!«
»Ich gehe jetzt, Frau Nowak. Sie hören von mir.«
»Tschüsschen auch.«
Unvorstellbar, dass unter der Obhut dieser Frau Kinder herangewachsen waren. Apropos – sie musste dringend Annegrets Bruder zu fassen bekommen. Matthias Nowak. Das Verhältnis der Geschwister sollte gut gewesen sein. Vielleicht im Nachhinein ja ein kleiner Hoffnungsschimmer.
Nach ihrer Rückkehr ins Präsidium veranlasste Pia in Rücksprache mit Regina Dreyling, dass ein Spurensicherungsteam der Polizei in der Wohnung von Ole und Annegret Dreyling den Versuch unternehmen sollte, DNA-Proben sicherzustellen. Etliche Telefonate und ein paar Formulare waren dafür notwendig – und alles nur auf die schwache Hoffnung hin, dass eventuell brauchbares Material von Annegret Dreyling nicht einer gewissenhaften Putzfrau oder einer Reinigung durch die Schwiegermutter zum Opfer gefallen war. Regina Dreyling machte auf Pia tatsächlich den Eindruck, als schwänge sie mit ihren brillantengeschmückten Fingern gern selbst ab und zu den Staublappen. Besonders, wenn sie damit ihrer Schwiegertochter auf die Nerven gehen konnte.
Der Termin bei Bianca Nowak hatte Pia angestrengt. Sie schenkte sich einen Becher Kaffee ein, dann, nach kurzem Nachdenken, auch ein großes Glas Wasser und kramte in ihrer Tasche nach etwas Essbarem. Gerade als sie die zerknitterte Packung eines Müsliriegels hervorzog, steckte ihr Kollege Michael Gerlach den Kopf zur Tür hinein. Er schwenkte einen großen braunen Umschlag in der Hand.
»Ist das schon wieder eine Briefbombe?«, fragte Pia, die ihre Niederlage beim Einsatztraining noch frisch im Gedächtnis hatte.
»Keine Ahnung.« Gerlach schüttelte den Umschlag herausfordernd und warf ihn ihr zu. Pia fing ihn auf. »Der ist von einer Regina Dreyling unten abgegeben worden, ausdrücklich für Frau Korittki vom Kl!« Michael Gerlach zog sich einen freien Stuhl heran und sah zu, wie Pia den Umschlag mit dem Brieföffner aufschlitzte. Ein paar großformatige Fotos und ein Blatt Papier fielen heraus.
Sie
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