Tödliche Mitgift
hielt ihm die Fotos hin. »Was hältst du davon?«
»Hochzeitsbilder, sehr hübsch. Er sieht etwas unscheinbar aus, aber die Braut, o là là. Das ist im Historischen Weinkeller im Heiligen-Geist-Hospital aufgenommen worden, oder?«, sagte Gerlach, nachdem er die Fotos durchgeblättert hatte.
»Ich war nicht dabei, aber du könntest recht haben. Wenn die Dreylings ihren einzigen Sohn vermählen, dann sicherlich mit Stil.«
»Er ist ein Dreyling? Und wer ist die glückliche Braut?«
»Sie ist nicht glücklich. Oder jedenfalls nicht mehr. Sie ist wahrscheinlich tot, ermordet. Ihr Name war Annegret Dreyling, ehemals Nowak.«
»Ist das deine geheime Mission?«
»Nicht geheim – die Sache läuft nur vorerst über den ›kleinen Dienstweg‹. Der Mord ist in Italien verübt worden, und die italienische Polizei hat hier bei uns angefragt.«
»Na, herzlichen Glückwunsch! Vielleicht darfst du auf Dienstreise nach Italien fahren! Ist es wenigstens irgendwo am Meer passiert?«
»Schöne Vorstellung. Ich vermute eher, dieser Fall wird ein Papierkrieg sondergleichen«, seufzte Pia.
»Na gut, ich gehe mal wieder an meinen Platz. Auch wenn Broders … na, er ist wirklich gerade komisch drauf …«
»Lass dich nicht ärgern!«, murmelte Pia, war aber in die Betrachtung der Hochzeitsfotos auf ihrem Schreibtisch vertieft. Sie betrachtete das Brautpaar, das unschuldig, zufrieden und, was die Braut betraf, auffallend hübsch aussah. Sie schaute sich auch die anderen Gäste an, die mit abgelichtet worden waren. Ein paar Nasen erkannte sie, lokale Prominenz … doch Bianca Nowak konnte sie tatsächlich nirgends entdecken.
Anschließend holte Pia das Streichholzheftchen mit der Adresse der Autowerkstatt aus ihrer Tasche. Es war zwar schon recht spät, aber vielleicht erwischte sie in der Werkstatt noch jemanden. Erwartungsgemäß lief um diese Uhrzeit ein Anrufbeantworter, auf den Pia ihren Namen, ihre Rufnummer und die Bitte um einen sofortigen Rückruf sprach. Sie hatte Glück – kurz darauf meldete sich eine Frau, die sich als Rosa Fanelli vorstellte und mit der Pia einen Termin abstimmen konnte. Die Frau schlug vor, dass Pia in einer guten Stunde zu ihr in die Werkstatt kommen solle, da ihr Mann noch mit der Reparatur eines Kundenfahrzeugs beschäftigt war, das am nächsten Tag fertig sein musste. Sie selbst habe bestimmt auch ein paar Minuten Zeit für sie.
Nach dem Telefonat saß Pia einen Moment reglos da und überlegte, was sie in der Zwischenzeit Sinnvolles tun sollte. Dann raffte sie sich auf und begab sich auf den Weg nach unten in die Abteilung, in der die Lübecker Kriminalakten aufbewahrt wurden. Mit etwas Glück würde sie dort zu Matthias Nowak fündig werden, denn sie wollte vor ihrem nächsten Gespräch darüber Bescheid wissen, welches Vergehen dem Schwiegersohn der Fanellis die Haftstrafe eingebracht hatte.
Die Kriminalakten wurden im Landkreis des Wohnsitzes des Täters geführt. Pia wusste zwar nicht, wo Matthias Nowak gemeldet war, doch die Chance, dass er auch in Lübeck wohnte, war hoch. Wenn dies nicht der Fall war, musste sie sich später mit einer telefonischen Auskunft begnügen oder zu seinem Wohnort fahren und dort Akteneinsicht nehmen. Die Kriminalakten durften ihren Aufbewahrungsort nicht verlassen, damit sie stets auffindbar blieben. In Hamburg waren die Kriminalakten schon längst digital erfasst, was das Erlangen von Auskünften deutlich vereinfachte. Und irgendwer würde sich irgendwann wohl auch in Schleswig-Holstein diese Arbeit machen müssen. Als Pia die zwei ineinander übergehenden Räume betrat, deren Wände mit Regalen für Aktenordner, Mappen und Karteikästen bedeckt waren, hoffte sie, zu dem Zeitpunkt der digitalen Erfassung ganz weit weg zu sein.
7. Kapitel
D ie Autowerkstatt der Fanellis befand sich im Lübecker Stadtteil Marli in einem Hinterhof. Man musste schon genau wissen, wohin man wollte, wenn man das kleine Schild mit der Aufschrift Francesco Fanelli – Kfz-Werkstatt, alle Fabrikate nicht übersehen wollte. Pia versuchte, durch die Hofeinfahrt zu fahren, setzte aber sofort wieder zurück, als sie sah, dass sich auf dem Hofplatz die Fahrzeuge quasi stapelten. Sie stellte ihren Citroën an der Straße ab, durchquerte den Hof zu Fuß und musterte dabei die vielen Autos. Von einer neu aussehenden Mercedes-Limousine, von der im Grunde nur noch die Beifahrerseite existierte, über einen mattschwarzen Golf ohne Scheiben bis hin zu einem älteren Range Rover in
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