Tödliche Mitgift
Er schien nicht besonders überrascht darüber zu sein, dass die Tote wirklich seine Frau war, sondern nickte nur und sah von Gerlach zu Pia, als hoffte er, sie würden ihm sagen, was er nun tun solle.
»Wie haben Sie und Ihre Frau sich eigentlich kennengelernt, Herr Dreyling?«, erkundigte Pia sich nach ein paar einleitenden Sätzen.
»Über ihren Bruder Matthias«, antwortete er. »Matthias ist einer meiner besten Freunde.«
»Und woher kennen Sie Matthias Nowak?« Pia war klar, dass sie mit diesem Ansatz recht weit ausholte, aber die unterschiedlichen Lebensumstände der Familien Nowak und Dreyling schienen diese Frage zu rechtfertigen.
»Aus der Schule. Wir waren schon in der Grundschule in einer Klasse. Er ist ein toller Kumpel.«
»Wie stand Ihre Familie damals zu dieser Freundschaft?«
»Wie sollten sie dazu stehen? Es ist doch normal, dass ein Kind Freunde hat.« Er rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her, starrte auf den Tee vor sich und dann wieder zu Pia.
»Haben Sie Annegret Nowak bei ihr zu Hause kennengelernt, zum Beispiel, als Sie ihren Bruder besucht haben?«
»Nein. Erst später. Ich war nur selten bei ihm. Wenn, dann war er ab und zu mit bei mir.«
»Warum waren Sie selten bei ihm zu Hause?«
»Was hat das mit Annegret zu tun?« So eingeschüchtert, wie er tat, war er also doch nicht.
»Ich muss mir ein Bild über Ihre Beziehungen zueinander machen.«
»Ich habe nichts mit Annegrets Tod zu tun, und mein Freund Matthias auch nicht. Er war seiner Schwester sehr zugetan.«
»Bei welcher Gelegenheit haben Sie Annegret Nowaks Bekanntschaft gemacht?«
»Während unserer Schulzeit habe ich sie nur sehr selten gesehen. Eigentlich bloß dann, wenn Matthias und ich ihr zufällig irgendwo über den Weg liefen. Sie war ja viel jünger als wir. Richtig wahrgenommen habe ich sie erst, als Matthias sie mir später mal auf einer Party vorgestellt hat. Das war schon kurz vor seinem Konkurs und dem Prozess. Annegret hat sich eine Weile mit mir unterhalten, aber ich glaube, damals hat sie mich kaum wahrgenommen. Erst später, als Matthias schon im Gefängnis war, haben wir uns wiedergetroffen. In einem Nachtclub war das. Ich hab sie nach Hause gefahren. Der Rest ergab sich dann …«
»Wusste Matthias Nowak gleich von Ihrer Beziehung zu seiner Schwester?«
»Nein. Sie wollte damit warten, es ihm zu erzählen, bis er aus der Haft entlassen worden ist. Um ihn zu überraschen …«
»Wie hat er reagiert?«
»Ich weiß wirklich nicht, was diese Fragen mit dem Mord zu tun haben sollen«, protestierte Ole Dreyling. Auf seinen blassen Wangen hatten sich unregelmäßige rote Flecken gebildet.
»Es geht mir um das Verhältnis, in dem Sie alle zueinander standen: Annegret und Matthias Nowak und Sie«, wiederholte Pia. »Ihre Frau wurde ermordet. Sie haben bestimmt das Bedürfnis, dass dieser Mord aufgeklärt und der Täter bestraft wird.«
»Sie glauben doch nicht, dass ich …«
»Auch das müssen wir überprüfen.«
»Ich war die ganze Zeit über in Südamerika, dafür gibt es mehrere Zeugen, und ich habe mit dem, was in Italien passiert ist, überhaupt nichts zu tun.«
Pia zweifelte nicht daran, dass es etliche Zeugen gab, die Ole Dreylings lückenlose Anwesenheit in São Paulo zum Zeitpunkt des Mordes würden bestätigen können, selbst wenn Dreylings Alibi eigentlich irgendwelche zufälligen oder verräterischen Lücken aufweisen sollte.
»Warum sind Sie so kurz nach der Hochzeit nach Brasilien gereist?«
»Das hatte geschäftliche Gründe.«
»Und zwar?«
Ole Dreyling sah Pia irritiert an. Dann zuckte er mit den Schultern. »Es geht um die Neugründung einer Firma in São Paulo, an der ich maßgeblich beteiligt sein werde. Die Dreylings haben zwar schon lange gute Geschäftsbeziehungen in Brasilien, aber jetzt soll erstmals eine Tochterfirma an den Markt gehen, die …«
»Und Ihre Frau ist nicht mit Ihnen gereist?«, unterbrach Pia ihn.
»Doch, das ist sie. Zuerst war Annegret sogar ganz begeistert davon. Sie war vorher noch nie außerhalb von Europa gewesen. Doch in São Paulo hatte ich nicht viel Zeit für sie, und es wurde ihr schnell langweilig. Zudem hatte sie gesundheitliche Probleme, wegen der starken Luftverschmutzung. Sie hat Allergien und leichtes Asthma gehabt. Wir sind zu dem Entschluss gekommen, dass es besser wäre, wenn sie in Lübeck in ihrer vertrauten Umgebung auf mich wartete.«
»Aber das hat sie nicht getan«, stellte Pia fest. »Gewartet, meine ich.«
»Sie
Weitere Kostenlose Bücher