Tödliche Mitgift
Pia: »Er meint, dass Sie einen der beiden vielleicht sogar schon in Perugia gesehen haben könnten. Georg Regner ist vor zwei Tagen hier angekommen.«
Pia tippte leicht auf das Porträt Techows, das bei längerer Betrachtung kaum noch Ähnlichkeit mit Marten Unruh, ihrem Exkollegen, hatte. »Kann sein, dass ich den Mann in Perugia irgendwo gesehen habe, auf der Scala mobile, meine ich, aber ich kann mich genauso gut täuschen. Wo ist er abgestiegen?«
»Non lo so«, antwortete Petrucci bedauernd. Pia gab ihm die Fotos zurück. Der Capitano bedankte sich bei ihr und erhob sich. Der Blick, mit dem er sie dabei betrachtete, war nachdenklich.
Sie hatte den Mann namens Techow noch nie zuvor gesehen, versicherte Pia sich selbst. Es war nichts als eine Kurzschlussreaktion der Synapsen in ihrem Gehirn gewesen, dem Gefühl nicht unähnlich, das man manchmal hat, wenn man meint, eine Situation schon einmal erlebt oder geträumt zu haben. Wie vorhin, als die Commissaria ihr eröffnet hatte, sie, Pia, sei raus aus den Ermittlungen. Eine gewisse Ähnlichkeit war vielleicht vorhanden, so etwas kam hin und wieder vor. Die letzten Tage waren anstrengend gewesen. Das war wahrscheinlich der Grund, weshalb ihr Gehirn ihr Streiche spielte. Sie war besorgt wegen Löwgen, und sie machte sich Vorwürfe. Sie bildete sich Dinge ein, die bei näherer Betrachtung keinen Sinn ergaben. Es gab nichts, was sie Capitano Petrucci hätte mitteilen können.
»Bernhard Löwgen hat dem Arzt erzählt, dass er unter einer Krankheit namens Narkolepsie leidet«, berichtete Commissaria Sponza Pia nach einem Gespräch mit dem Mediziner in vertraulichem Ton. »Was er eben während der Vernehmung hatte, war eine Kataplexie. Er sagt, er benötigt seine Medikamente, dann ginge es ihm wesentlich besser.«
»Ich hätte es wissen können!«, murmelte Pia, die sich Vorwürfe machte, dass es in dieser Situation überhaupt zu einem Anfall hatte kommen müssen. »Ich wusste zumindest, dass er ein gesundheitliches Problem hat. Können wir ihm die nötigen Medikamente besorgen?«
»Schon geschehen. Wir werden die Befragung in einer halben Stunde fortsetzen.«
»Das funktioniert aber nur mit seinem Einverständnis. Ich kann ihm auch klarmachen, dass er jetzt auf jeden Fall einen Anwalt braucht.«
»Er will reden«, erwiderte die Sponza.
Im zweiten Teil der Vernehmung hatten sich die Rollen verschoben. Petrucci stellte jetzt die Fragen. Pia hatte Bernhard Löwgen noch einmal darauf hingewiesen, dass es besser sei, auf der Anwesenheit eines Anwalts zu bestehen, doch er hatte nicht auf sie gehört.
»Ich bin nur zufällig in die Geschichte mit dem Kunstraub verwickelt worden. Im Grunde wollte ich die anderen abhalten und ihnen ihr Vorhaben ausreden. Aber sie haben nicht auf mich gehört«, behauptete Löwgen, nachdem Marco Petrucci ihn mit seinem Verdacht bezüglich des illegalen Kunsthandels konfrontiert hatte. Eine Ausrede, die Pia schon Hunderte Male so oder so ähnlich gehört hatte. Sie fühlte sich fast persönlich enttäuscht von ihrem Landsmann.
»Wen meinen Sie mit ›sie‹?«, hakte Vittoria Sponza nach.
»Matthias Nowak vor allem. Sie kennen ihn ja bereits. Ich weiß, dass er gestern hier in der Questura war. Dann ist da noch seine Frau, Caterina Nowak, geborene Fanelli. Ich kenne die Fanellis, weil ich in der Werkstatt von Caterinas Eltern in Lübeck meine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker gemacht habe. Durch Caterina kamen alle weiteren Kontakte zustande. Durch sie habe ich ihren Mann Matthias kennengelernt … und später auch Annegret.«
»Und Gisberto Rizzo?«, fragte Petrucci.
»Rizzo ist Caterinas Onkel und Patenonkel. Sie hat mir erzählt, ihr Vater habe Rizzo mal in einer schwierigen Lebensphase aus der Klemme geholfen …«
Pia bemerkte, wie sich der Capitano und sein Kollege kurz ansahen, als Löwgen zugab, Gisberto Rizzo zu kennen.
»Wie Sie sicherlich schon wissen, saß Matthias bei uns in Deutschland im Gefängnis, wegen Betrugs und Steuerhinterziehung … Er ist mit einer Firma für Personen- und Objektschutz in Konkurs gegangen. Ich habe vorher ein knappes Jahr freiberuflich für ihn gearbeitet, doch mit dem Betrug und den anderen Sachen hatte ich nichts zu tun. Wie das so ist, wenn einer aus der Haft kommt: Matthias stand vor dem Nichts. Kein Job in Aussicht, keinerlei Einkommen, aber eine anspruchsvolle Frau, die ihm ziemlich zugesetzt hat. Sie war es auch, die ihn mit ihrem Onkel Gisberto Rizzo zusammengebracht hat. Die beiden
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