Tödliche Mitgift
forderte die Commissaria Löwgen auf.
»Zunächst war es ein ganz normaler Tag«, antwortete Bernhard Löwgen ruhig. »Wir trafen uns zum Frühstück im Hotel, danach ging jeder von uns seiner Wege. Annegret ist einkaufen gegangen – das tat sie für ihr Leben gern. Ich war nach dem Frühstück ebenfalls in der Stadt, in der Galleria del’ Umbria. Ich wollte mir die Alten Meister ansehen. Aber gegen vierzehn Uhr habe ich mich auf mein Hotelzimmer verzogen, um etwas zu schlafen und zu lesen. Gegen halb acht bekam ich Hunger und beschloss, etwas essen zu gehen. Ich klopfte bei Annegret an die Tür, doch SIE weit noch nicht wieder da, also ging ich allein los. Ich war im La Cuccagna in der Via Pieve Vecchia. Das Restaurant war gerammelt voll. Sie haben die Gäste an den Tischen zusammengesetzt, wie es gerade passte. Und es hat Ewigkeiten gedauert, bis man etwas bekam. Kurz nach halb elf kam ich zurück ins Hotel.«
»Gibt es Zeugen für diese Zeitspanne?«
»Ich brauche ein Alibi? So nennt man das, oder? Das Restaurant, in dem ich gegessen habe, war voll, deshalb glaube ich nicht, dass sich die Kellner an mich erinnern. Aber an meinem Tisch saßen zwei Studentinnen, mit denen ich mich lange unterhalten habe.«
»Sie meinen, die können Ihre Anwesenheit an diesem Abend für eine bestimmte Zeitspanne bezeugen?«
»Ja … doch ich weiß nicht, wie Sie sie finden wollen. Sie haben sich als Fiona und Elisabeth vorgestellt, und sie kamen aus Hannover.«
»Haben Sie ihre Adressen, oder wissen Sie, wo sie sich in Perugia aufhalten?«
»Nein. Wir haben keine Adressen ausgetauscht. Ich glaube nicht an Urlaubsbekanntschaften.«
Carlini und auch Vittoria Sponza blickten ungläubig drein, sodass Pia sich in die Befragung einschaltete. Sie konnte sich nämlich durchaus vorstellen, dass Löwgen den ganzen Abend mit zwei jungen Frauen geplaudert hatte, ohne eine Vertiefung der Bekanntschaft anzustreben. »Versuchen Sie, sich an alles zu erinnern, was Sie über die zwei Frauen erfahren haben, Herr Löwgen. Nur so besteht die Chance, dass wir sie für Sie finden. Was haben sie studiert und wo? Vielleicht ist doch ein Nachname gefallen; jede Kleinigkeit kann wichtig sein.«
»Die eine, ich glaube, es war Fiona, hat Bauingenieurwesen studiert. Die andere hat nebenbei für eine Computerfirma gearbeitet … Ich weiß aber den Namen nicht mehr. Irgendwas mit drei Buchstaben …«
»Wo wohnen die beiden in Perugia?«
»Keine Ahnung.«
»Und in Hannover?«
»In einem Studentenwohnheim, haben sie mir erzählt.«
»In welchem?«
»In der Nähe eines Parks. Den ›Herrenhäuser Garten‹ haben sie ihn genannt.«
Pia machte sich Notizen, ohne allzu große Hoffnung zu hegen, mit diesen Informationen genau diese zwei Frauen zu ermitteln. »Was geschah nach dem Essen im La Cuccagna?«
»Gegen halb elf bin ich zurück ins Hotel gegangen. Ich klopfte noch mal bei Annegret an, doch sie schien nicht da zu sein. Ich versuchte, sie telefonisch zu erreichen, dachte mir aber, sie sei ausgegangen. Um kurz nach elf wurde ich unruhig und fing an, mir Sorgen zu machen. Normalerweise hatte sie mir immer gesagt, was sie vorhatte, wo sie ist und mit wem … Sie war vorsichtig.«
»Annegret Dreyling war vorsichtig? Weshalb denn?«
»Das war doch der Grund, weshalb sie mich überhaupt in Perugia dabeihaben wollte. Sie hat sich in Lübeck bedroht gefühlt.«
»Und das erzählen Sie uns erst jetzt? Von wem wurde sie bedroht?«
Löwgen zuckte auf eine Art mit den Schultern, die jeden vernehmenden Beamten früher oder später in den Wahnsinn treiben musste. »Sie wusste es nicht, aber sie fühlte sich verfolgt. Sie war eine Frau, der die Männer sowieso nachschauen. Deshalb habe ich sie wohl nicht ernst genug genommen.«
»Was passierte dann?«
»Ich hatte ein komisches Gefühl und öffnete die Verbindungstür, um in Annegrets Zimmer nachzusehen …« Er zögerte und verzog sein Gesicht.
»Wie sind Sie in das Zimmer gekommen, Herr Löwgen?«, fragte Petrucci, und Vittoria Sponza übersetzte nach einem Seitenblick auf Carlini.
»Die Verbindungstür war die meiste Zeit über nicht abgeschlossen«, sagte Löwgen verächtlich, »und so ein primitives Schloss zu öffnen ist sowieso ein Kinderspiel.« Als er Petruccis triumphierenden Blick sah, klappte sein Mund zu.
»Sie öffnen auch weniger primitive Schlösser, nicht wahr?«, fragte dieser mit einem falschen Lächeln. »Was war noch Ihr Beruf?«
Bernhard Löwgen schüttelte abwehrend den
Weitere Kostenlose Bücher