Tödliche Mitgift
auf seine Armbanduhr.
»Ist hier sonst noch jemandem nach Fast Food zumute?«, fragte die Sponza in die Runde, nachdem Petrucci mürrisch eingewilligt und samt Gefolge den Raum verlassen hatte.
Bernhard Löwgen hielt Wort. Nachdem er zwei Hamburger gegessen und eine Cola getrunken hatte, kritzelte er eine Adresse auf einen Block und ließ ihn an Capitano Petrucci weitergeben.
20. Kapitel
M atthias Nowak würgte an seinem Vitello tonnato. Er hätte es gern mit einem kräftigen Schluck Wein heruntergespült, aber er musste heute Abend nüchtern sein, nüchtern und in geistiger und körperlicher Hochform. Caterina schenkte ihm wortlos Wasser nach. Wenn alles gut ging, saßen sie im Morgengrauen schon in einem Flugzeug in Richtung Kanada – und flogen einer neuen Zukunft entgegen. Doch im Augenblick ging die Sonne nicht auf, sondern unter, und das mit nervenzermürbender Langsamkeit. Seit Stunden, wie es Nowak schien, zeigte der Himmel über dem Trasimenischen See Farben von Orange über Rosa bis hin zu Fliederfarben und Rauchgrau, aber es wollte einfach nicht Nacht werden. Die anderen Gäste auf der schmalen Terrasse der Trattoria Lo Scoiattolo, darunter jede Menge Motorradfahrer, genossen nach einem heißen Tag, dass es hier oben auf dem Hügel schneller kühl wurde als unten im Tal. Rund um das Ufer des Sees glommen nach und nach die Lichter der Straßenlaternen und Häuser auf, und die Silhouette des Ausflugsschiffes, das zwischen der Isola Maggiore, der Isola Polvese und dem Festland hin- und herpendelte, war nur noch als Schatten auf der spiegelnden Wasseroberfläche zu erkennen.
»Seit wann leistest du dir den Luxus, Nerven zu besitzen, Matthias?«, fragte Caterina leise. Sie hatte sich vorgebeugt, als wollte sie mit ihm flirten, aber ihr Gesicht war eine starre Maske, und ihren Ton empfand er als provokativ.
»Wenn wir das heute Abend gut über die Bühne bringen, sind wir auf einen Schlag alle unsere Sorgen los. Da ist es wohl angemessen, vorher jeden Schritt genau zu durchdenken.«
»Gisberto hat sich um alles gekümmert, du musst nur nach seinen Anweisungen handeln. Fürs Denken wirst du hier gar nicht bezahlt.«
Er fragte sich, seit wann Caterina ihm gegenüber diesen Sarkasmus an den Tag legte. Seit Annegrets Tod? Oder schon seit ihrer Ankunft in Umbrien, das immerhin die Heimat ihrer Familie darstellte? Sie sprach fließend Deutsch und Italienisch, während er sich zwar auf Italienisch verständigen konnte, aber mehr auch nicht. Basierte ihre Überheblichkeit auf diesem »Heimvorteil«? Oder hatte es schon angefangen, als er aus dem Gefängnis gekommen war? Da war er so überwältigt gewesen vom Gefühl der neu gewonnenen Freiheit und den Annehmlichkeiten, die er vermisst hatte, wie gutes Essen und Trinken, Privatsphäre, ein weiches Bett und Sex mit seiner Frau, dass er auf das, was sie gesagt und getan hatte, nicht besonders geachtet hatte. Ein fataler Fehler. Er war so mit sich selbst und den sich kurz darauf deutlich abzeichnenden finanziellen Sorgen beschäftigt gewesen, dass er nun nicht nachvollziehen konnte, wann seine Ehe so den Bach runtergegangen war. Matthias war sich mit einem Mal nicht mehr sicher, woran er bei Caterina war. Die Tatsache, dass er seine Nerven vor der Übergabe nicht mit einem unnötigen Streit belasten wollte, schien ihr zusätzlich Oberwasser zu geben.
»Hauptsache, du findest den Weg zu Lager zwei«, sagte sie spöttisch. »Ich möchte mich nur ungern im Dunkeln mit dir verfahren.«
»Keine Sorge! Schließlich bin ich derjenige, der das ganze Zeug hin- und hergefahren hat«, erwiderte er leise.
»Sag nicht ›Zeug‹ zu antiken Kunstschätzen, die uns dreihunderttausend Euro einbringen werden.«
»Für mich ist es Zeug …« Er gestattete sich das kurze Vergnügen, sich ihren Gesichtsausdruck vorzustellen, wenn sie in Toronto entdecken würde, dass er mit dem ganzen Geld verschwunden wäre. Es war nur eine der möglichen Optionen, die er nicht ernsthaft in Betracht zog. Doch wenn Caterina sich weiterhin so aufspielte …?
»Eine Viertelstunde noch, dann müssen wir aufbrechen. Möchtest du noch einen Espresso?«, fragte sie ihn kühl.
»Nein. Nur noch die Rechnung … II conto,perfavore!«
»Ich zahle das heute«, sagte Caterina und griff nach ihrer Handtasche. Als der Kellner die Rechnung präsentierte, stutzte sie. Eine steile Falte erschien zwischen ihren elegant gezupften Augenbrauen. Normalerweise gestattete sie sich keine mimischen Entgleisungen, weil
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