Tödliche Mitgift
haben Matthias’ Notlage schamlos ausgenutzt und ihn zu einem Geschäft hier in Italien überredet.« Löwgen betonte das Wort ›Geschäft‹, in dem er die Augenbrauen hochzog. Dann senkte er die Stimme. »Soweit ich es mitbekommen habe, betätigt sich Rizzo als eine Art Zwischenhändler für geraubte Kunstwerke. Normalerweise kauft er seine Ware aus Raubgrabungen, die in der Nähe von Neapel, seiner Heimatstadt, stattfinden. Er verkauft sie weiter an einen deutschen Händler, der sie wiederum in einem Freilager in Genf aufbereitet und weiterverkauft.«
»Wie lautet der Name des Händlers?«, erkundigte sich Petrucci, sobald die Commissaria übersetzt hatte.
»Georg Regner«, sagte Löwgen freimütig.
Petrucci nickte zufrieden und flüsterte dem anderen Beamten etwas ins Ohr.
»Rizzo hatte nämlich seit ein paar Monaten ein Problem«, fuhr Bernhard Löwgen mit einem Seitenblick auf den Capitano fort. »Er wurde zu streng überwacht. Man hat seine Telefonanschlüsse abgehört, und auch ansonsten konnte der Mann kaum einen Schritt mehr machen, der nicht von den Carabinieri überwacht wurde. Dabei hatte er ein Lager voll mit wertvoller Ware, die er Regner bereits erfolgreich angeboten hatte. Aber er konnte in dieser Situation die Übergabe nicht bewerkstelligen, und Georg Regner wurde allmählich ungeduldig. Was also tat Rizzo? Er holte sich Matthias als Überbringer der Ware mit ins Boot. Ein einfacher organisatorischer Job, problemlos durchzuführen, weil Matthias für die Italiener in Sachen Kunstraub ein unbeschriebenes Blatt war. Außerdem ließ seine Frau Caterina mit ihren Verbindungen hierher den geplanten Handel mit Wein und Olivenöl glaubwürdig erscheinen. Und niemandem würde es verdächtig vorkommen, wenn er sich für sein angebliches Geschäft einen Lieferwagen zulegte oder ein Lager anmietete … Das Problem war nur, dass Matthias gern mit seinen Fähigkeiten prahlt, im Grunde aber nichts kann. Er stellte schon bei der ersten Besprechung mit Rizzo fest, dass er Hilfe brauchte: meine Hilfe. Es war ja nicht das erste Mal, dass er bei mir ankam. In seiner Firma lief es genauso: Ich war zwar nur freier Mitarbeiter, doch immer, wenn es kompliziert wurde, haben sie nach mir geschrien. Nach den Erfahrungen, die ich mit Matthias gemacht hatte, war ich allerdings nicht scharf darauf, wieder für ihn die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Ich schickte ihn weg.« Löwgen verzog selbstironisch den Mund. »Aber es kommt halt immer anders … Matthias ließ nicht locker. Als ich hartnäckig blieb, kam seine Schwester Annegret ins Spiel. Sie hat mich … fasziniert. Es war so, als wüsste ich mit einem Mal, was mir all die Jahre über gefehlt hat …« Er verstummte verlegen und sprach nun direkt zu Pia. »Ich weiß, es hört sich verrückt an, aber Annegret hat mich glauben lassen, dass sie ihren Ehemann wieder verlassen will. Der hat sich nämlich kurz nach ihrer Hochzeit nach Südamerika abgesetzt und sie mit seiner höchst eigenwilligen Familie allein gelassen. Zudem hatte Annegret noch einen verrückten Typen am Hals, einen ›Stalker‹ sagt man wohl heute, der sie verfolgt hat. Sie wollte unbedingt weg aus Deutschland, und da kam ihr der Bruder mit seinem Plan, nach Perugia zu reisen, gerade recht. Ich bin nur ihretwegen mit hierhergekommen. Sie war … sie brauchte jemanden, der sich um sie kümmert, dachte ich. So bin ich mit hineingezogen worden. Und dann hat Annegret mich dazu überredet, ihrem Bruder bei seiner Aufgabe hier zu helfen. Ehe ich mich’s versah, wusste ich mehr, als ich wissen wollte.«
»Was genau haben Sie getan, um Matthias Nowak und Gisberto Rizzo zu unterstützen?«, ließ Petrucci die italienische Kommissarin fragen. Seine Stimme hörte sich an, als zerträte jemand Glas auf Fliesen.
»Nicht viel. Ein bisschen organisiert und für die Kommunikation gesorgt. Annegret und ich haben den Lagerort ausgesucht und angemietet, das war unauffälliger, als wenn Matthias es getan hätte … Sie wollten nicht, dass die Verbindung zwischen Rizzo und Caterina und Matthias Nowak bekannt wird. Ich sagte ja schon: Rizzo wurde auf italienischem Boden rund um die Uhr überwacht, sein Telefon war angezapft, er wurde beschattet, alles, was man sonst nur aus Filmen kennt …«
Bernhard Löwgen übertrieb, er schmückte seinen Bericht für Pias Geschmack zu sehr aus. Sie vermutete, dass er erstens log und zweitens vor irgendetwas Angst hatte.
»Sie sind in Schwierigkeiten, das wissen Sie. Es ist an
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