Tödliche Mitgift
Mutmaßungen einging. »Du dagegen scheinst dir überhaupt keine Gedanken zu machen.«
»Das sieht nur so aus. Willst du gleich noch einen Cappuccino?«
Eine halbe Stunde später zeigte sich, dass Heinz Broders mit seiner Vermutung richtig lag. Der Leiter des Kommissariats fing Pia ab, als sie gerade auf dem Weg zur Einsatzbesprechung war.
»Frau Korittki? Warten Sie mal«, rief er, als sie den Besprechungsraum betreten wollte. Pia versuchte, in seinem Gesicht zu lesen, doch sie sah nur Unbehagen und Eile.
»Was ist denn los?«, fragte sie, während sie demonstrativ den dicken Aktenordner zum aktuellen Fall auf dem Arm balancierte.
Er wich ihrem Blick aus. »Sie sind ab heute nicht mehr hier dabei, Frau Korittki. Die anderen können allein weitermachen.«
»Wie bitte?«
»Kommen Sie gegen fünf in mein Büro. Es hat sich eine Änderung ergeben«, forderte er sie mit spröder Stimme auf.
»Was für eine Änderung?«
»Das erkläre ich Ihnen dann.«
Pia starrte ihn verblüfft an. Diese Neuigkeit aus seinem Mund zu hören war noch einmal eine andere Nummer als eine Andeutung ihres Kollegen Broders. Gestern noch hatte sich Gabler beklagt, sie hätten zu wenig Leute für die aktuellen Ermittlungen, und heute wollte er sie nicht mehr dabeihaben? Er nickte ihr noch einmal zu und verschwand ohne ein weiteres Wort im Besprechungsraum, wo die anderen Kollegen schon auf ihn warteten. Als sich die Tür vor ihrer Nase schloss, wurde Pia wütend. Sie zuckte verärgert mit den Schultern, was ihr zusätzlich zu dem Gefühl, übergangen worden zu sein, einen scharfen Stich im Schulterblatt eintrug. Es erinnerte sie daran, dass sie ohnehin noch hatte nachschauen wollen, was es mit der Verletzung auf sich hatte.
Auf der Damentoilette zog sie sich vor dem Waschbecken mit zusammengebissenen Zähnen das T-Shirt über den Kopf. Es war nicht ganz leicht, das eigene Schulterblatt in dem kleinen Spiegel zu betrachten, doch sie konnte dort, wo sie gegen die Kante des Couchtisches geprallt war, ein eindrucksvolles, sich gut entwickelndes Hämatom erkennen. Ausgerenkt war das Schultergelenk wohl nicht, das fühlte sich anders an. Sie zog das T-Shirt wieder an, wusch sich mit kaltem Wasser Hände und Gesicht und ging zurück in ihr Büro. Sie teilte es sich seit Längerem mit Oswald Heidmüller, doch jetzt war es leer. Ossie war, wie ihre anderen Kollegen auch, bei der aktuellen Einsatzbesprechung.
3. Kapitel
E ine warme Brise wehte den Hügel hoch, erfüllte die Gassen und Plätze in der Altstadt Perugias mit ozonreicher, staubiger Luft. Der Wind brachte die Blätter der Bäume des Giardini Carducci zum Rascheln und strich über Matthias Nowaks schweißnasse Stirn. Er saß auf der Terrasse der Collins C.A.R. Caffi American Bar des GuariniPalace und sah ungeduldig zum Eingang des Hotels hinüber. Irgendwann würde seine Schwester das Gebäude schon verlassen. Es war kurz nach vier am Nachmittag und immer noch brütend heiß. Die Geschäfte entlang des Corso Vanucci, Boutiquen, Schuhgeschäfte und Souvenirläden, öffneten jetzt, nach der Siesta, wieder ihre gläsernen Eingangstüren. Das zumindest musste Annegret doch aus dem Hotel locken. Aber Matthias Nowak ahnte bereits, dass er sich etwas vormachte. Er hatte seine Schwester seit vorgestern, als Rizzo ihn zu einem Geschäftstermin nach Rom geschickt hatte, weder gesehen noch mit ihr telefoniert. Irgendetwas war in der Zwischenzeit schiefgegangen, das spürte er, aber er konnte sich nicht vorstellen, was es war. Die Übergabe, die heikelste Phase ihres Plans, stand ihnen ja noch bevor.
Eine Frau trat aus dem Hotel. Nowak fuhr hoch, doch es war nicht Annegret, die unter dem roten Vordach stand und ungeduldig auf ihre Armbanduhr sah. Was ihn zusätzlich beunruhigte, war die Tatsache, dass auch Bernhard Löwgen, der wie Annegret im Guarini wohnte, seit Tagen nicht mehr an sein Mobiltelefon ging. Warum zum Teufel? Hatten Annegret und Bernhard kalte Füße bekommen? Waren sie nach Deutschland zurückgeflogen, ohne ihm Bescheid zu sagen? Was konnte in den zwei Tagen, die er in Rom verbracht hatte, Dramatisches passiert sein? So dramatisch, dass es die beiden zum sofortigen Abflug genötigt hatte, gleichzeitig so unbedeutend, dass seine Frau Caterina und auch ihr Onkel, Gisberto Rizzo, der angeblich immer alles wusste, was in Perugia vor sich ging, nichts davon erwähnt hatten.
Das brachte Nowak zu der nächsten unangenehmen Annahme: Caterina und Rizzo verschwiegen ihm etwas. Seit der
Weitere Kostenlose Bücher