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Tödliche Mitgift

Tödliche Mitgift

Titel: Tödliche Mitgift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Almstädt
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Stunde X, wie er den Einbruch in Paolo Sassones Haus insgeheim nannte, misstraute er sogar seiner eigenen Familie. Solange die gestohlenen Kunstgegenstände noch in dem Haus in Tuoro lagerten, schnürte ihm die Angst vor der Polizei den Brustkorb zusammen. Er wollte mal wieder richtig Luft holen können. Es war höchste Zeit, dass sie die Ware wieder loswurden.
    Der Kellner schlenderte an ihm vorbei und fragte höflich, ob er noch einen Wunsch habe. Klar, er saß jetzt seit einer halben Stunde hier. Einer Laune nachgebend, orderte Nowak einen Martini. Die schrill ausstaffierten Engländer, die, Martini schlürfend und Stadtpläne studierend, am Nebentisch saßen, hatten ihn auf die Idee gebracht. Die Petit Fours und Mini-Sandwiches mit Gurke, gekochtem Schinken und Mayonnaise, die ihm mit dem zuvor bestellten Cappuccino serviert worden waren, hatte er aus Langeweile alle aufgegessen. Zu dem trockenen Martini gab es nun Brotchips und geröstete Erdnüsse. Nowak trank einen Schluck und genoss es, wie die kühle, etwas ölige Flüssigkeit, die ihn an Hustensaft erinnerte, seine Kehle hinunterlief. Er lehnte sich in den cremeweißen Polstern zurück und versuchte, wenigstens entspannt auszusehen.
    Das Einfachste wäre, sich an der Rezeption nach dem Verbleib von »Mrs. Dreyling«, wie seine Schwester ja nun hieß, zu erkundigen. Doch sie alle waren ja übereingekommen, dass er sich nicht mit Bernhard oder seiner Schwester im Hotel treffen sollte. Wenn Annegret nicht langsam mal auftauchte, würde er trotzdem nachsehen gehen. Ja – ungeachtet ihrer Vorsätze und Pläne beschloss er in diesem Moment, genau das zu tun.
    Er wusste, wie er unbemerkt ins Hotel gelangen konnte, denn er hatte diesen Weg schon mehrmals heimlich genommen, als er Annegret unbedingt hatte sehen müssen. Auch dieses Mal wartete er ab, bis der Kellner seinen Posten vor dem Eingang der Bar aufgegeben hatte, und schlenderte hinein. Rechts von der Bar befand sich eine Treppe hinunter zu den Toiletten. Von dort gelangte Nowak durch eine Glastür in einen Gang und weiter eine Treppe hinunter in den Wellness-Bereich des Hotels. Von dort konnte er mit dem Fahrstuhl nach oben bis kurz vor Annegrets Hotelzimmer fahren. Auf diesem Weg musste er die Hotelhalle mit dem Empfangstresen im Erdgeschoss gar nicht passieren. Nowak griff sich im Vorbeigehen einen der grünen Äpfel, die in einer ausladenden Schale auf dem Treppenabsatz dargeboten wurden, und betrat den Fahrstuhl.
    Zum Glück stieg keiner zu. Matthias Nowak erreichte unbehelligt den dritten Stock. Mit einem leisen »Pling« glitt die Fahrstuhltür zur Seite und entließ ihn in einen Gang mit weichem, dunkelblauem Teppichboden. Weit und breit war niemand zu sehen. Als er um die Ecke bog und auf die schallisolierte, doppelte Tür von Annegrets Hotelzimmer zusteuerte, erstarrte er mitten in der Bewegung. Was war hier passiert? Die Tür war von der italienischen Polizei versiegelt worden! Ein Seitenblick nach rechts bestätigte seine Vermutung, dass mit Bernhard Löwgens Zimmertür daneben genauso verfahren worden war. Er hörte sich keuchen, und das Nächste, was er registrierte, war, dass er mit zitternden Knien an der Wand lehnte und mit dem Hinterkopf dagegen hämmerte. Der angebissene Apfel war ihm aus der Hand gefallen und rollte über den königsblauen Teppich. Was hatte das zu bedeuten? Wo war seine Schwester, verdammt noch mal? Was er sah, machte ihm Angst. Warum hatte die Polizei die Zimmer abgesperrt und versiegelt? Waren Annegret und Bernhard verhaftet worden? Das ergab keinen Sinn. Oder waren sie abgehauen, ohne ihre Hotelrechnung zu bezahlen?
    Er kam nicht dazu, diese Gedanken in ihrer letzten Konsequenz zu Ende zu denken, denn er hörte das Geräusch der sich öffnenden Fahrstuhltür und kurz darauf gedämpfte Schritte. Ein Gast, Hotelpersonal oder die Polizei? Eine dicke, hochgewachsene Frau mit einem Turban auf dem Kopf bog um die Ecke, gefolgt von einem Herrn, der neben ihr wie ein Spielzeugmännlein aussah. Die Frau stieß mit der Fußspitze gegen den angebissenen Apfel, der daraufhin zur Seite rollte, und rief etwas aus, das auf Unmut oder Ekel schließen ließ. Dann erst entdeckte sie Nowak, der immer noch mit dem Rücken an der Wand lehnte, und starrte ihn aus winzigen, türkisfarben umrandeten Augen misstrauisch an.
    Wie musste er sich verändert haben, dass er nicht mehr ohne Weiteres als Gast eines Fünf-Sterne-Hotels durchging!, dachte er. In seinem früheren Leben war er oft in

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