Tödliche Mitgift
Extraschulung … Die können mich mal!«
»Sei doch froh. Es wird zu wenig Geld in diese Art von Schulungen gesteckt.«
»Dass dir das Schießen Spaß macht, hat man gesehen.«
»Ich finde es wichtig«, sagte Pia. Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Um welche Uhrzeit ist heute noch mal die Einsatzbesprechung angesetzt worden?« Sie musste vor der Besprechung noch einen Bericht schreiben und hatte außerdem ein paar Telefonate zu erledigen.
»Du weißt es noch nicht?«, fragte Broders in dem inquisitorischen Tonfall, mit dem er seine Mitmenschen gern traktierte.
»Was soll ich wissen?«
»Ich habe vorhin in der Pause kurz mit Gabler telefoniert. Er hat da so eine Andeutung gemacht. Ich glaube, du bist da gar nicht mehr eingeplant …« Horst-Egon Gabler war ihrer beider Chef, der Leiter des Kl. Heinz Broders als dienstältester Mitarbeiter in der Abteilung unterhielt einen besonders intensiven Kontakt zu ihm. Vielleicht kompensierte er so die heimliche Enttäuschung, nicht selbst für diesen Posten ausgewählt worden zu sein.
»Davon weiß ich nichts. Was genau hat er denn gesagt?«, fragte Pia, darauf bedacht, sich ihre Verunsicherung nicht anmerken zu lassen. Sie forschte in ihrem Gedächtnis nach etwaigen Versäumnissen oder Fehlern, die ihr in den letzten Tagen unterlaufen sein könnten, wurde aber nicht fündig. Da war nur dieses permanente schlechte Gewissen, wie es Menschen mit hohem Arbeitspensum und großer Verantwortung häufig mit sich herumschleppen.
»Keine Ahnung. Ich dachte, du wüsstest es …« Broders gab sich unbeteiligt, doch Pia sah, wie es hinter den halb geschlossenen Augenlidern neugierig glitzerte, und das lag nicht nur daran, dass er sein Gesicht in die Sonne hielt. Sie griff zu ihrem Wasserglas, trank ein paar Schlucke und ließ den Blick über den belebten alten Marktplatz schweifen … Gerade trat eine Gruppe Touristen aus dem dunklen Arkadengang des Kanzleigebäudes ins Sonnenlicht und zerstreute sich. Links von ihr befand sich das Rathaus, dessen Fassade sich von den roten Backsteinbauten der Altstadt abhob. Hinter ihr ragten die Türme der Marienkirche in den blauen Julihimmel. In der Sonne war es warm, aber durch die Markttwiete in ihrem Rücken blies immer mal wieder ein frischer Luftzug, der sie frösteln ließ. Oder war es der Anblick des Kaak, des wieder aufgebauten historischen Prangers, der ihr diesen Schauer verursachte?, fragte sich Pia, während sie ein Paar beobachtete, das dort neckisch posierte …
Wie schnell war man früher wohl denunziert worden? Wie schnell hatte man am Pranger gestanden? Und auch wenn das Ding nur noch zu Dekorationszwecken dort stand – das Wesen der Menschen hatte sich nicht geändert. Pia konnte sich zumindest keinen Reim auf Broders’ Äußerung machen. Seit ungefähr vier Wochen beschäftigten sie sich mit einem brutalen bewaffneten Raubüberfall und standen nun kurz vor dem Abschluss der Ermittlungen. Warum sollte sie nicht mehr dabei sein?
»Das wird sich schon klären«, sagte Pia ruhiger, als sie sich fühlte.
»Wenn du meinst.« Broders hob abwehrend die Hände. »Du solltest ja wissen, ob es Probleme gibt oder nicht.«
Zwei große, reichhaltig belegte Baguettes wurden vor ihnen abgesetzt, was Pia zunächst einer Antwort enthob. Sie zuckte mit den Schultern und griff nach ihrem Käse-Schinken-Baguette. Sie war sich keiner Schuld bewusst und ärgerte sich, dass sie sich durch Broders’ Äußerung verunsichert fühlte.
Pia liebte ihren Beruf, der für sie Sinn und Aufgabe darstellte in einer Welt, die ansonsten chaotisch und sinnlos schien … Einzig dass Hinnerk, ihr Freund, ihren Beruf so kritisch sah, war ein Wermutstropfen. Dies war der Punkt, der Pia manchmal zu schaffen machte, wenn sie Prioritäten setzen und ihre Beziehung hintanstellen musste. Aber die Arbeit beim Kommissariat 1 war für sie mehr; das Kl war fast eine Art Familie. Sogar Broders, derb, manchmal sogar brutal in seinen Äußerungen, der immer mal wieder die Konfrontation mit ihr suchte, kam ihr inzwischen unverzichtbar vor.
»Vielleicht hat Gabler dein Vorgehen bei dem Tankstellenpächter nicht gefallen?«, ließ Broders nicht locker. »Er sah nicht gerade vergnügt aus, als er davon erfuhr.« Er biss herzhaft in sein Baguette, und ein paar Krümel blieben in seinem Bart hängen.
»Du machst dir zu viele Gedanken, Broders.«
»War schon immer mein Hobby«, versetzte er säuerlich. Er sah verstimmt aus, weil sie nicht auf seine pessimistischen
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