Tödliche Nähe
Gesicht vorbei. Er hob den Kopf, kniff die Augen zusammen und betrachtete den Verandapfeiler.
Das Abendlicht war ziemlich schummerig, aber der Deputy meinte zu sehen, dass eine Kugel im Pfeiler steckte.
Der Schütze hatte wahrscheinlich Keiths Funkgerät gehört.
Und dem Schusswinkel nach zu urteilen, bewegte er sich eindeutig durch den Wald und schlug einen Bogen Richtung Hintereingang des Hauses. Verdammt noch mal …! »Ist bei euch alles in Ordnung?«
Laws Lachen klang wegen der Schmerzen etwas schrill. »Oh, mir geht’s einfach fantastisch, Deputy. Und jetzt bewegen Sie Ihren Arsch und gehen Sie ins Haus – er kann Sie schließlich nicht sehen !«
Keith bezweifelte zwar, dass der Schütze die beiden anderen in wenigen Augenblicken noch würde sehen können, behielt es jedoch für sich. Er wollte die Männer aus der Gefahrenzone heraushalten, und sollte der Kerl tatsächlich nach hinten gehen, war es vor der Haustür einfach sicherer. »Remy?«
»Mir geht’s gut«, zischte der Anwalt. »Mann, ich glaube ohnehin nicht, dass er es auf mich abgesehen hat. Sonst wäre ich schon längst tot.«
Ja, der Gedanke war Keith auch schon gekommen.
Also galt es, keine Sekunde mehr zu vergeuden.
Für wie blöde hielten die ihn eigentlich?
Carter stand kopfschüttelnd da und wartete darauf, dass Keith endlich um die Hausecke gekrochen kam.
Er verbarg sich im Dunkeln, bis er freie Schussbahn hatte. Was nicht ganz einfach war. Keith verhielt sich äußerst vorsichtig und nutzte die Dämmerung sowie die Schatten des Hauses zu seinem Vorteil. Sobald er jedoch die hintere Veranda erreicht hatte, würde sich der Deputy zeigen müssen und Carter seinen Schuss abfeuern.
Diese Waffe arbeitete im Gegensatz zu der Flinte, die er kurz zuvor noch benutzt hatte, nahezu lautlos. Abgesehen von dem grünen Laserpointer bemerkte man sie kaum. Dennoch würde er schnell und präzise schießen müssen; wenn Keith den Laser erst sah, konnte es bereits zu spät sein.
Er wartete, bis Keith ins Haus schlüpfen wollte und ihm dafür einen Augenblick lang den Rücken zuwandte.
Dann feuerte er.
Keith stolperte und ging zu Boden.
Während Carter zur Veranda lief, schaute er auf die Uhr. Vor drei Minuten hatte er Law angeschossen. Ihm blieben also noch weniger als fünfzehn Minuten, bis Ezra hier auftauchen würde. Er hatte zwar nicht gesehen , dass der Sheriff angerufen worden wäre, aber es lag auf der Hand. Doch es spielte auch keine Rolle. Entweder würde er sein Vorhaben ausführen können und wieder verschwunden sein, noch bevor die Polizei eintraf, oder aber er brachte das Ganze vor den Augen des Sheriffs zu Ende.
Er hatte da keine Präferenz. Er machte sich auch keine Sorgen mehr, nun, da das Ende unausweichlich war.
Er hatte bereits geplant, wie er sich verhalten würde, sollte er entdeckt werden.
Nie im Leben wollte er sich einsperren lassen – auf gar keinen Fall. Und er würde bei seinem Abgang noch einige Leute mit sich in den Tod nehmen. Und zwar diejenigen, die ihm den ganzen Ärger überhaupt erst eingebrockt hatten – nämlich Lena und Nia.
Auch wenn er weit und breit keine Sirenen hören konnte, so hatte der Funkspruch kurz zuvor vermutlich zu bedeuten gehabt, dass die Männer des Sheriffs auf seine kleine Überraschung bei Deb gestoßen waren. Dort draußen liefen nun also noch mehr Deputies der kleinen Bezirkspolizei herum, die sich um das von ihm hinterlassene Chaos kümmern sollten. Und diese neugierige alte Schachtel würde niemandem mehr auf die Nerven gehen. Nie wieder …
Er kroch zu Keith und rollte ihn herum. Sein Gesicht zeigte keine Regung. Carter fühlte seinem Cousin den Puls. Stabil. Gut … gut. Schließlich wollte er nicht, dass der Kerl starb. Er hatte ihm nie Probleme gemacht. Dank des Beruhigungsmittels wäre Keith für ein paar Stunden außer Gefecht gesetzt, aber er würde sich wieder erholen.
Carter stand auf, öffnete das Fliegengitter vor der Hintertür und drückte die Klinke herunter … abgeschlossen. Mit dem Knauf der Pistole zerschlug er das Glas des kleinen Fensters.
Er brauchte nun nicht mehr leise zu sein, nicht wahr?
Auf kurvenreichen Landstraßen konnten sich sechzehn Kilometer ewig in die Länge ziehen. Zehn Minuten fühlten sich an wie zwei Stunden. Ezra verlangte seinem Wagen das Äußerste ab, während das Adrenalin regelrecht durch seinen Körper schoss, sein Blut in ätzende Säure zu verwandeln schien, sich ihm vor Angst der Magen umdrehte und in seinem Kopf ein
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