Tödliche Nähe
mir kommt das irgendwie nicht richtig vor. Es will mir einfach nicht in den Kopf. Irgendetwas … verdammt! Ich weiß auch nicht genau. Es ist, als würden Puzzleteile fehlen, und solange ich die nicht finde, kann ich diesen sogenannten Schlussstrich nicht ziehen, den ich daruntersetzen soll, um mit meinem Leben weitermachen zu können. Deswegen … na ja, habe ich ein paar Nachforschungen angestellt.«
Ezra kniff die Augen zusammen. »Nachforschungen angestellt? Wie denn?«
»Übers Internet, größtenteils. Ein paar Telefonate hab ich auch geführt. Ich komme an viele Informationen – solange ich sie nicht veröffentliche.« Sie schenkte ihm ein kurzes Lächeln. »Ich arbeite als Fotoreporterin und habe eine Menge Kontakte. Eine Zeit lang wollte ich investigativen Journalismus machen, aber dann ist mir klar geworden, dass ich eine Geschichte lieber mit der Kamera einfange. Darin bin ich auch besser. Trotzdem habe ich einen ganz guten Instinkt und kenne eben viele Leute. So mancher schuldet mir auch noch einen Gefallen.«
Sie befeuchtete sich die Lippen und betrachtete die Mappe, die alle Informationen über Kathleen Hughes enthielt. Mit zitternder Hand reichte sie sie dem Sheriff. Doch als er die erste Seite aufschlug, wandte sie den Blick ab. Sie konnte ihn nicht ansehen. »Ich habe sowohl Vermisstenmeldungen als auch Berichte über weibliche Überfall- und Mordopfer durchgesehen. Bei keinem hat es klick gemacht, aber dann ist mir diese Akte in die Hände gefallen. Eigentlich passt die Frau nicht richtig ins Muster. Sie sieht meiner Cousine überhaupt nicht ähnlich. Noch dazu war sie jünger, hat viele Partys gefeiert, das Leben genossen. Normalerweise hätte ich die beiden nie miteinander in Verbindung gebracht.«
Aus den Augenwinkeln sah sie, wie er die Mappe durchblätterte.
»Und warum haben Sie es dann getan?«, fragte er beiläufig.
Doch Nia ließ sich nicht täuschen. Sie schaute den Sheriff nur kurz an und wusste genau, dass er alles aufmerksam durchlas – alle Informationen über das Opfer, die er in den Händen hielt.
Und sie merkte es sofort, als er über dieselbe Stelle stolperte wie sie: Die, bei der sie die Verbindung gezogen hatte. Dann wartete sie darauf, dass er ihr sagen würde, sie müsse loslassen … und mit ihrem eigenen Leben weitermachen.
Doch stattdessen legte er den Kopf schief, nahm den Bericht heraus und las ihn noch einmal.
»Ihr wurden die Haare abgeschnitten«, murmelte er und warf Nia einen Blick zu.
Sie musste schlucken und nickte nur.
»Aber nicht alle – wahrscheinlich wollte sich der Kerl nicht dreckig machen. Anscheinend …«
»Hat er sie ordentlich durch den Fleischwolf gedreht«, ergänzte Nia achselzuckend. »Ich bin nicht empfindlich, Sheriff King. Ich habe schon viele Leichen gesehen, mehr als mir in Erinnerung geblieben sind. Wahrscheinlich waren ihre Haare mit Blut und Gehirnmasse verklebt. Wenn er das mit sich herumgeschleppt hätte …«
»Das wäre nicht so clever gewesen«, murmelte Ezra.
»Da ist noch etwas«, sagte sie leise.
Er blätterte um und las weiter. Sobald er an die Stelle kam, an der die Mitbewohnerin das fehlende Armband erwähnte, kniff er erneut die Augen zusammen.
»Sie hat ziemlich teure Klunker getragen – man sieht es zwar nicht sofort, aber das Armband wurde extra für sie angefertigt. Auf der Innenseite stand Für meinen Engel eingraviert«, berichtete Nia.
Das hatte sie selbst herausgefunden, als sie ein paar Tage, nachdem ihr die Akte in die Hände gefallen war, mit dieser Mitbewohnerin gesprochen hatte. Das Armband war ein Geschenk eines Exfreunds von Kathleen gewesen, von dem Arzt aus Detroit. Den Mann hatte sie in die Wüste geschickt, das Armband aber behalten. Dank der Mitbewohnerin wusste Nia noch mehr – das Armband an sich war kein Unikat, aber zwei kleine Details machten es dennoch unverwechselbar.
Erstens die Gravur, und zweitens war ein Edelstein darin eingefasst … ebenfalls auf der Innenseite. Und zwar ein kleiner Saphir.
Kathleens Geburtsstein. Das Armband war ihr Wunsch gewesen und der Arzt hatte ihr offenbar etwas Einzigartiges schenken und es zu etwas Besonderem machen wollen. Doch diese Information behielt Nia für sich.
»Anscheinend trug sie ziemlich teuren Schmuck. Die Ohrringe waren mindestens zwei- bis dreihundert Dollar wert. Für die Kette könnte man bestimmt drei- oder vierhundert bekommen. Sie hatte diverse Ringe um. Aber das Einzige, was fehlt, ist das Armband.«
»Also war es kein
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