Tödliche Nähe
wahrscheinlich noch mehr zum Idioten machte als ohnehin schon, konnte er nicht die Augen von ihr lassen. »Hi, Nia.«
Sie warf ihm rasch einen Blick zu. »Mr Reilly.«
»Nennen Sie mich doch Law.« Er vergrub die Hände in den Hosentaschen, während er zwischen ihr und Ezra hin- und herschaute. »Was führt Sie zurück nach Ash?«
Nia zuckte mit den Schultern, sah ihn immer noch nicht an. Doch schließlich blickte sie ihm seufzend in die Augen. »Privatangelegenheiten, Mr Reilly.«
»Law«, wiederholte er.
Ezra schaute an ihm vorbei in Richtung Bistro, ehe er ihn fixierte. »Ähm … Nia, würden Sie uns kurz entschuldigen?«
Sie zuckte mit den Schultern.
Law setzte eine finstere Miene auf, als Ezra ihn bei der Schulter packte und ein paar Schritte weiterzerrte. »Geh wieder ins Bistro und sorg dafür, dass Lena nicht herauskommt.«
Law funkelte ihn an. »Wie bitte?«
»Meine Güte, mach’s einfach, okay? Ich erkläre es dir später.«
Law verzog den Mund und riss seinen Arm los. »Was ist los, wird dir deine Ehe schon langweilig?«
»Was … Hast du den Verstand verloren?« Ezra starrte ihn an, als wäre er übergeschnappt.
Möglicherweise stimmte das ja auch. In Nias Gegenwart konnte Law einfach nicht klar denken – das hatte er bereits beim letzten Mal unter Beweis gestellt. Er rieb sich die Schläfe, schüttelte den Kopf, schaute erst über die Schulter hinüber zum Bistro und dann zu Nia. »Worum geht es hier, Ezra?«
»Würdest du dich bitte weniger auffällig verhalten und einfach zurück ins Bistro gehen?«, knurrte Ezra. »Bitte? Ich erklär… Scheiße!«
Nia kam zu ihnen herübergeschlendert.
Dieser Ausdruck in ihren Augen – sie funkelte sie streitlustig an, schaute von Law zu Ezra und dann die Straße entlang. Mit einem grimmigen Lächeln auf den Lippen ging sie an ihnen vorbei – geradewegs auf das Bistro zu.
»Verflucht«, brummte Ezra und rieb sich den Nacken. »Hättest du es nicht noch ein bisschen offensichtlicher machen können?«, fragte er mit einem wütenden Blick zu Law.
»Was soll das denn heißen?«
Ezra schüttelte lediglich den Kopf und murmelte irgendetwas vor sich hin, während er Nia hinterhereilte.
»Verdammt, was ist denn nur los?«
Ezra schaute ihn mit zusammengekniffenen Augen an und blieb stehen. »Nias Cousine.«
»Was soll mit ihr sein?«
Ezra folgte Nia mit den Blicken. »Sie sieht Lena sehr ähnlich, sie hätten Zwillinge sein können. Ich hatte gehofft … na ja. Mist. Jetzt ist es eh zu spät.«
In dem Moment, als Nia das Bistro betrat, wurde ihr klar, warum der Sheriff sie von hier hatte fernhalten wollen. Die Frau saß an der hinteren Wand, eine dunkle Sonnenbrille auf der Nase.
Aus dieser Entfernung war die Ähnlichkeit frappierend – das gleiche dunkle, glänzende Haar, auch wenn das der Fremden einen stärkeren Rotstich aufwies. Sie besaß die gleiche zarte, milchige Haut. Die Kopfform, der Mund …
Von Weitem hätte man sie für Joely halten können.
Nia starrte diese Erscheinung wie gebannt an. So gern wollte sie hoffen, wollte glauben, dass es sich wirklich um Joely handelte, obwohl sie es doch besser wusste. Aber es war einfacher, für diesen einen Augenblick so zu tun als ob.
Sieh mich an …
Wenn die Frau den Kopf heben würde, dann könnte Nia eventuell aufhören, sich etwas vorzumachen. Sie müsste sich der Wirklichkeit stellen, diesen Stich ins Herz ertragen, es akzeptieren – und das Ganze hinter sich lassen. Doch die Unbekannte plauderte weiter mit ihrer blonden Freundin und bemerkte Nia überhaupt nicht, der das Herz bis zum Hals schlug, während sie unendlich litt …
Dann ging die Türglocke und der Hund zu Füßen der schönen Rothaarigen setzte sich auf. Erst da bemerkte Nia das Tier überhaupt. Es schaute zum Eingang und wedelte mit dem Schwanz.
Anscheinend war das das Zeichen für sein Frauchen, ebenfalls das Gesicht der Tür zuzuwenden.
Im selben Moment begriff Nia, dass Lena King sie nicht sehen konnte.
»Ihre Frau ist blind«, stellte sie verblüfft fest, als Ezra neben sie trat.
»Ja, ich glaube, irgendjemand hat das schon mal nebenbei erwähnt. Hören Sie, Nia, Sie müssen sich das nicht antun.«
Sie schluckte schwer. »Wissen Sie, ihr auf der Straße zu begegnen, wäre schlimmer gewesen.«
»Aber ziemlich unwahrscheinlich, Sie kommen ja nicht von hier«, brummte Reilly.
Nia schaute erst zu ihm, dann zu Ezra. Nein. Sie kam nicht von hier. Aber so schnell würde sie auch nicht wieder gehen. Nicht, bevor sie
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