Tödliche Nähe
Aber genau das tat sie gerade.
Ihr Mund war wie ausgedörrt. Sie wandte sich ab und suchte nach etwas anderem, worauf sie ihre Aufmerksamkeit richten konnte. Nur leider gab es nichts außer einem langweiligen Picknicktisch.
Verzweifelt setzte sie sich darauf und schloss die Hände fest um die Tischkante, die schon ganz abgenutzt war. Zum Glück, denn so wie Nia sich daran festkrallte, hätte sie sich sonst einen ganzen Wald von Splittern eingezogen.
»Muss schwer sein.«
Der Tisch ächzte ein bisschen, als Law neben ihr Platz nahm. Sie warf ihm einen Seitenblick zu. »Was muss schwer sein?«
»Sie zu sehen … Lena meine ich. Ezra hat erwähnt, dass sie … na ja, Ihrer Cousine ähnlich sieht. Es tut mir leid. Ich …«
Sie seufzte und stützte die Ellbogen auf die Knie. »Hören Sie auf, ja? Mir war klar, warum er mich vom Bistro fernhalten wollte.«
»Und wieso sind Sie dann hineingegangen?«
Nia zuckte mit den Schultern. »Ich konnte einfach nicht anders.« Sie schloss die Augen und vergrub ihr Gesicht in den Händen.
»Wie war sie denn so … Ihre Cousine?«
Nia ließ die Hände sinken. »Joely?«
»Ja.«
»Warum? Warum fragen Sie mich das?« Forschend schaute sie ihm ins Gesicht, um herauszufinden, worauf er hinauswollte.
»Warum nicht? Sie sehen ziemlich mitgenommen aus. Hier einfach nur herumzusitzen, wird Ihnen nicht helfen. Reden vielleicht schon«, meinte er schulterzuckend.
»Ob ich mitgenommen bin oder nicht, geht Sie ja wohl einen Scheißdreck an!«
Er betrachtete sie mitfühlend, und Nia spürte, wie der Kloß in ihrem Hals anschwoll, bis er ihr beinahe die Luft zum Atmen nahm.
Verdammt!
»Ach, verflucht«, murmelte sie. »Tut mir leid.«
Erneut zuckte er mit den Schultern. »Schon gut. Sie haben in letzter Zeit ja schließlich einiges durchgemacht.« Er stützte die Hände hinter sich auf und lehnte sich zurück. »Also, was für ein Mensch war sie?«
Für einen langen Augenblick starrte Nia ihn an, dann seufzte sie unvermittelt. »Joely … Sie … Sie war das komplette Gegenteil von mir, alles, was ich nicht bin. Sie blieb immer ruhig und gelassen, während ich impulsiv und streitlustig bin – ich kann so rational vorgehen, wie ich will, am Ende mache ich doch Zoff. Ich habe immer nach dem Schlechten gesucht, sie hat das Gute gesehen.«
»Sie haben einander wohl sehr nahegestanden.«
»Wir waren wie Schwestern. Außer ihr hatte ich keine Familie«, flüsterte sie. Tränen standen ihr in den Augen, aber sie blinzelte sie fort. »Verdammt, ich kann immer noch nicht fassen, dass sie tot ist.«
»Ich könnte Ihnen erzählen, es würde irgendwann besser werden und mit der Zeit lasse der Schmerz nach. Das stimmt schon. Aber nicht, weil es leichter wird. Sie lernen einfach nur, damit zu leben«, sagte er mit rauer Stimme. »Aber wahrscheinlich wollen Sie das nicht hören.«
Nia schniefte. »Ehrlich gesagt ist das hilfreicher als die Behauptung, alles werde irgendwann leichter . Sie wurde vergewaltigt und ermordet – nichts daran kann je leicht hinzunehmen sein.«
Ihr zitterten die Hände und sie suchte verzweifelt in ihrer Jackentasche nach einer Zigarette, bis ihr einfiel, dass sie die letzte bereits geraucht hatte. Mist. Während sie seinen Blick auf sich spürte, stand sie vom Picknicktisch auf, um etwas Abstand zu ihm zu gewinnen. Sie musste etwas sagen, irgendetwas – sie musste aufhören, sich so verletzlich vorzukommen, und er musste aufhören, sie anzuschauen, als … verdammt, was hatte sein Blick überhaupt zu bedeuten? Irgendwie konnte sie ihn nicht einordnen.
Mit finsterer Miene schob sie die Hände in die Hosentaschen, wandte sich ab und sah hinüber zum Büro des Sheriffs, vor dem ihr Motorrad stand.
Hauptsache, sie guckte nicht ihn an.
»Ich sollte mich wohl noch einmal wegen der Sache letztes Jahr entschuldigen«, sprudelte es so schnell aus ihr heraus, dass sie sich beinahe verhaspelte. »Ich habe mich geirrt, und es tut mir leid.«
»In Ordnung.«
Verblüfft drehte sie sich um. »In Ordnung? Ich ziele mit einer Pistole auf Sie und Ihre Freundin und Sie sagen … in Ordnung ?«
Law zog eine Augenbraue hoch. »Hope und ich sind kein Paar. Und was soll ich denn sonst sagen? Dass Sie sich Ihre Entschuldigung sonst wo hinschieben können?« Er zuckte mit den Schultern. »Ich weiß ja, wie es zu diesem Missverständnis gekommen ist – ich kenne Deb Sparks. Sie hat mich nun mal für den Schuldigen gehalten, und sie … na ja …« Er stockte, fuhr sich mit der
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