Tödliche Nähe
Diese Vorstellung fesselte ihn, und sie frustrierte ihn. Er wollte sie, verspürte schon dieses Verlangen – doch ein solches Risiko durfte er nicht eingehen. Nicht nach der Sache mit Jolene. Erstens würde das alles in Zweifel ziehen, was er mit dem Mord an Joe Carson erreicht hatte, und zweitens bliebe es nicht unbemerkt, wenn er jemanden wie Nia entführte – das würde Aufsehen erregen.
Diese Art von Aufmerksamkeit wollte er um jeden Preis vermeiden. Also würde er auf Abstand bleiben und sich mit den Erinnerungen an ihre Cousine begnügen … und damit, sich vorzustellen, wie es wohl wäre. Äußerlich besaßen die beiden Cousinen kaum Ähnlichkeit miteinander. Eigentlich gar keine.
Und doch sah er … eine Gemeinsamkeit.
Diese gewisse Haltung vielleicht. Arroganz. Und Stärke.
Sie war bestimmt nicht hier, um Blumen an dem Ort zu hinterlegen, wo man ihre Cousine gefunden hatte.
Er beobachtete, wie sie sich an die Bar setzte und mehrere Männer ihr abschätzende Blicke zuwarfen. Drei von ihnen waren verheiratet. Zwei näherten sich ihr dennoch. Er überlegte, ob er sich auf den freien Platz neben ihr setzen sollte. Er könnte sie freundlich ansprechen, Small Talk machen. Es mochte ganz amüsant werden, sich mit ihr zu unterhalten und zu versuchen, herauszufinden, warum sie denn nun hier war. Auch wenn er den Grund bereits ahnte.
Doch ein Mann wies sie alle in ihre Schranken.
Law Reilly.
Law spielte gerade Billard mit ein paar von den Jennings-Jungs, als Nia Hollister Mac’s Grill betrat.
Schweigen breitete sich aus.
Obwohl immer noch Musik aus der Jukebox schallte, herrschte auf einmal eine seltsame Stille. Er war nicht so naiv, zu glauben, dass sie es nicht wahrnahm. Dennoch ließ sie sich nichts anmerken, während sie auf einen der Barhocker glitt und Leon anlächelte – den Barmann, der hinter diesem Tresen stand, seit Law in Ash lebte. Law fand, dass Leon seit ihrer ersten Begegnung um keinen Tag gealtert war. Und er wusste mit absoluter Sicherheit, dass Leon in diesen zehn Jahren nicht ein einziges Mal gelächelt hatte.
»Alter, habt ihr diesen Arsch gesehen?«, brummte Ethan Sheffield, einer der Bezirksdeputies. Er war jung, glücklich verheiratet – und einer der größten Aufreißer der Stadt.
Auch wenn Ethans Frau Verständnis für seine harmlosen Flirts hatte, wollte Law ihn nicht einmal auch nur in Nias Nähe wissen. Er pikste dem Deputy mit seinem Queue in den Bauch. »Spielt mal eine Runde ohne mich.«
Ohne eine Reaktion abzuwarten, ging er auf den freien Hocker neben Nia zu. Lange wäre der nicht mehr unbesetzt geblieben. Selbst während er Platz nahm, sah er einige vertraute Gesichter vorbeitrotten, als warteten sie noch ab, ob er sich einen Korb einfing.
Scheiß auf die!
»Ich wusste gar nicht, dass Sie länger in der Stadt sind«, begrüßte er Nia, als diese ihn anschaute.
»Sie haben ja auch nicht gefragt.«
»Stimmt.« Er nickte Leon zu, und der Barmann stellte ihm ein Bier hin. »Wenn Sie sich übrigens in das wilde, ausgelassene Nachtleben von Ash stürzen möchten, dann haben Sie den tosenden Mittelpunkt bereits gefunden.«
Belustigt sah sie sich in der kleinen Grillbar um. Die Jukebox dröhnte, die Bühne war leer und in ungefähr jeder zweiten Nische saßen Gäste. Damit war in dem kleinen Restaurant verhältnismäßig viel los. Aber er wusste, wie es auf sie wirken musste – wie ausgestorben.
Ihm gefiel es.
»Ich kann meine Aufregung gerade noch so im Zaum halten«, erwiderte sie, wobei sie sich zu ihm herüberbeugte.
Bestimmt wollte sie einfach nicht so gegen die Musik anbrüllen, sagte er sich. Doch nun war sie ihm plötzlich so nah, dass er den Duft ihrer Haut roch, ihre Haare … hmmm.
»Wenn Sie etwas Aufregendes erleben wollen, müssen Sie noch ein paar Wochen bleiben. Dann findet bei uns der Jahrmarkt statt. Da ist richtig was los!«
»So, so. Was wird denn da Spannendes geboten … Kühekippen?«
Er lachte leise. »Nee. Das überlassen wir den Landeiern, die nicht im Einzugsgebiet von Lexington wohnen. Wir haben Eleganteres zu bieten. Irgendetwas mit Pferden. Bin mir aber nicht sicher, was genau. Ehrlich gesagt habe ich mir das nie angeschaut.« Er trank einen Schluck Bier gegen das trockene Gefühl in seiner Kehle. Leider brachte es nicht viel.
»Das ist aber nicht sehr sozial von Ihnen.« Sie lächelte und senkte die Lider. »Sie sind hier zu Hause und unterstützen so was nicht.«
»Meine Unterstützung sieht so aus, dass ich jeden Montag in die
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