Tödliche Nähe
ging sogar das Gerücht um, sie sei heute im Bezirksamt gewesen, um die Polizeiberichte des Bezirks und der Stadt zu durchforsten.
Als wäre es nicht schon übel genug, sie hier in der Stadt zu haben, wo sie nicht hingehörte. Allein ihre Anwesenheit verärgerte ihn. Sie war ein Störfaktor, in vielerlei Hinsicht. Inzwischen fragte er sich auch nicht mehr, was sie eigentlich hier machte. Sie hatte sich nicht mit dem Schicksal ihrer Cousine abgefunden. Sie wollte mehr wissen und wühlte auch im Dreck herum, um an Informationen zu kommen.
Aber wie lange hatte sie noch vor, zu bleiben …? Wie tief würde sie graben? Was hatte sie im Archiv der Bibliothek verloren? Warum trieb sie sich im Bezirksamt herum und steckte die Nase in amtliche Dokumente?
Vor dem Hotel Ash hielt er an und schaute ganz beiläufig hinüber. Das beherrschte er gut. Er wusste, auf welche Weise er unbemerkt blieb, wie er sich unsichtbar machte, selbst wenn alle Blicke auf ihn gerichtet waren.
Dann kniff er die Augen zusammen. Das war doch zu schön, um wahr zu sein!
Sie brach auf. Gerade lud sie ihre Sachen auf ihr Motorrad. Na, sieh mal einer an. So einfach hatte er sich das nicht vorgestellt. Immer noch lächelnd, fuhr er am Stoppschild vorbei und weiter in Richtung Stadtmitte. Er hatte Lust auf einen Kaffee und ein ausgiebiges Frühstück. Vielleicht würde er im Bistro vorbeischauen.
Sie machte sich auf … Schön.
Sehr schön.
»Bist du sicher, dass du zurechtkommst?«
Lena rollte sich auf den Bauch, vergrub das Gesicht im Kopfkissen und stöhnte. Sie waren erst seit wenigen Monaten verheiratet, und normalerweise verhielt sich Ezra nicht so überfürsorglich.
Aber Lena hing sonst auch nicht tagelang über der Kloschüssel. Irgendwann hatte die Übelkeit nachgelassen, aber sie war immer noch verdammt müde. Die ganze Woche über tat sie nichts anderes, als zu schlafen und sich etwas hinunterzuzwängen, wenn sie aufwachte … Danach überkam sie dann schon wieder das Bedürfnis, sich hinzulegen.
»Nach einem weiteren Tag, den ich nur mit Herumgammeln verbringe, wird’s mir bestimmt besser gehen«, nuschelte sie. »Geh schon. Fahr in die Stadt, trink einen Kaffee mit den Jungs und besprich mit ihnen, was auch immer ihr Cops bei diesen außerdienstlichen Treffen zu besprechen habt.«
Als er sich auf die Bettkante setzte, konnte sie sein Widerstreben förmlich spüren. Mit rauer Hand strich er ihr über den Rücken und massierte ihre verspannten Muskeln. »Wenn du sicher bist, dass du klarkommst …«
»Also, in Wahrheit kann ich es kaum erwarten, dass mein Loverboy endlich herüberkommt – also hau schon ab.« Dann drehte sie sich seufzend um und strich ihm übers Bein. »Ezra, ich sterbe ja nicht. Mir geht es sogar langsam schon wieder besser, ich brauche nur Schlaf. Fahr in die Stadt, und wenn du schon einmal da bist, bring mir bitte Schmerztabletten und eine von diesen Hühner-Nudelsuppen mit. Ich habe fast so etwas wie Hunger.«
Er gluckste. »Tütensuppe? Jetzt mach ich mir ernsthaft Sorgen!«
»Hey, ich bin krank … da kann ich mir schließlich nichts kochen. Und wenn es mir schnell wieder besser gehen soll, solltest du es lieber auch nicht versuchen.« Sie zwang sich, zu lächeln, während ihre Augen immer schwerer wurden.
»Also gut.« Seufzend beugte er sich vor und gab ihr einen Kuss aufs Kinn. »Ich rufe dich zwischendurch an.«
»Hmmm.«
Er war noch nicht einmal aus der Tür, da schlief sie schon.
Ezra warf einen Blick zurück und sah Puck neben dem Bett liegen, den Kopf auf die Pfoten gelegt und einen traurigen Ausdruck in den Augen. Man hätte meinen können, der Hund wäre aus Solidarität zu Lena scheinkrank. Dieser Gedanke brachte Ezra auf etwas anderes – morgendliche Übelkeit .
Das war sein erster Verdacht gewesen, aber eine Schwangerschaft konnte Lena bereits ausschließen. Darauf hatte der Arzt sie als Allererstes untersucht. Ezra war dieses Ergebnis auch nicht unrecht. Er hatte eigentlich nichts gegen Nachwuchs, aber sie mussten ja nicht unbedingt so bald Eltern werden. Sie waren gerade frisch verheiratet, lernten einander immer noch kennen.
Und hier stand er nun, gewöhnte sich an einen neuen Job und machte etwas, von dem er gedacht hatte, dass er es nie wieder tun würde.
Die Waffe an seiner Hüfte wog schwer. Sehr schwer.
Diese Bürde wieder auf sich zu nehmen, hatte er eigentlich nicht geplant, aber als er gefragt worden war, ob er Dwights Nachfolger werden wolle, hatte er aus irgendeinem Grund
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